Das Jüdische Kochbuch aus Hamburg (Dölling und Galitz)
Februar 2024
Das Jüdische Kochbuch aus Hamburg
Es gibt Bücher, die weit mehr bieten als bloß Rezepte – Das Jüdische Kochbuch aus Hamburg ist eines davon. Schon beim ersten Durchblättern merkt man, dass es sich hier um ein Werk handelt, das nicht nur zum Nachkochen inspiriert, sondern auch zum Nachdenken anregt. Mit jeder Seite wird klar, dass es nicht nur um jüdische Küche geht, sondern um eine lebendige Erinnerungskultur, die die Geschichten und Traditionen jüdischer Familien aus Hamburg wieder aufleben lässt.
Eine Verbindung von Küche und Geschichte
Die Herausgeberinnen Gabriela Fenyes, Barbara Guggenheim und Judith Landshut haben es geschafft, mit diesem Buch einen einzigartigen Streifzug durch die jüdische Küche Hamburgs zu schaffen. Dabei geht es nicht nur um die Rezepte selbst, sondern um die Geschichten dahinter. Jede Rezeptseite erzählt auch eine Geschichte – von Familien, die einst in Hamburg lebten, und deren kulinarisches Erbe bis heute erhalten geblieben ist. Die Idee zu diesem Buch entstand aus dem Wunsch, die Kultur und Traditionen jüdischer Familien zu bewahren, die durch den Nationalsozialismus zerstört wurden.
Was mich besonders beeindruckt, ist die Vielseitigkeit der Rezepte. Die Gerichte reichen von traditionellen Klassikern wie Gefilte Fisch und Hühnersuppe mit Mazzeknödeln bis hin zu modernen Interpretationen und internationalen Einflüssen wie persischem Kräuteromelette oder russischem Borschtsch. Diese Vielfalt spiegelt die multikulturelle Geschichte der jüdischen Gemeinschaft in Hamburg wider, deren Mitglieder aus aller Welt kamen und ihre jeweiligen kulinarischen Traditionen mitbrachten.
Mehr als nur Rezepte
Das Buch ist jedoch nicht nur ein Kochbuch. Es ist ein Erinnerungsbuch. Viele Rezepte sind mit persönlichen Anekdoten und Biografien der Familien verknüpft, die diese Gerichte über Generationen hinweg weitergegeben haben. Dies verleiht dem Buch eine emotionale Tiefe, die weit über das Kochen hinausgeht. Es schafft eine Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart, indem es uns die Möglichkeit gibt, nicht nur die Speisen, sondern auch die Geschichten der Menschen, die sie zubereitet haben, nachzuempfinden.
Ein besonderer Pluspunkt ist die zweisprachige Aufmachung des Buches. Auf Deutsch und Englisch verfasst, ermöglicht es auch den Nachfahren, die möglicherweise kein Deutsch mehr sprechen, die Rezepte ihrer Vorfahren zu verstehen und nachzukochen. Dies unterstreicht den internationalen Charakter des Buches und seine Bedeutung für die Erhaltung jüdischer Kultur weltweit.
Die Gestaltung des Buches
Ein weiterer Punkt, der mich positiv überrascht hat, ist das liebevoll gestaltete Layout. Obwohl das Buch nicht wie ein typisches Hochglanz-Kochbuch daherkommt, wirkt es dennoch hochwertig und ansprechend. Die zahlreichen Faksimiles alter Kochbücher und handschriftlicher Rezepte geben dem Buch einen nostalgischen Charme. Besonders schön finde ich die Illustrationen und Zeichnungen, die das Buch lebendig wirken lassen, auch ohne eine Vielzahl von Fotos der Gerichte.
Die Herausgeberinnen – Gabriela Fenyes, ehemalige Journalistin und langjähriges Vorstandsmitglied der Jüdischen Gemeinde Hamburgs, Barbara Guggenheim, Literaturagentin und Gründungsmitglied des „Jüdischen Salon am Grindel“, und Judith Landshut, die aus einer jüdischen Familie aus der Tschechoslowakei stammt und in der jüdischen Gemeinde Hamburgs tätig war – haben sich in ihrer Arbeit sichtlich viel Mühe gegeben. Sie haben nicht nur Rezepte gesammelt, sondern eine Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart geschaffen, die die Bedeutung der jüdischen Küche für Hamburgs Geschichte hervorhebt.
Fazit: Ein Buch zum Lesen, Erinnern und Kochen
Das Jüdische Kochbuch aus Hamburg ist mehr als nur eine Rezeptsammlung – es ist ein wertvolles Stück Zeitgeschichte, das die jüdische Kultur in Hamburg wieder aufleben lässt. Es bietet eine spannende Kombination aus historischen Rezepten, persönlichen Geschichten und kulturellen Anekdoten, die zum Nachdenken anregen. Wer sich für jüdische Kultur und Geschichte interessiert oder einfach Freude am Kochen hat, wird dieses Buch lieben. Es eignet sich nicht nur hervorragend zum Nachkochen, sondern auch zum Schmökern und Erinnern an eine längst vergangene, aber keineswegs vergessene Zeit.
Ein Muss für jeden, der nicht nur nach neuen Rezepten sucht, sondern auch nach einem Stück lebendiger Geschichte.