Wie ein wilder Gott

Wie ein wilder Gott ist ein Buch aus dem Paul Zsolnay Verlag und erschien am 19. August 2024.

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Wie ein wilder Gott

„Ein gut siebzigjähriger Nichtstuer“, der pensionierte Präsident der Geographischen Gesellschaft, schaut 1933 vom Fenster seiner Villa in Rom auf eine Gartenmauer. An ihr ziehen wie auf einer Leinwand die Bilder sowohl seines eigenen Lebens als auch die des berühmten italienischen Afrikaforschers Vittorio Bottego (1860 bis 1897) vorbei. Bottego hat auf mehreren gewagten Expeditionen das weitgehend unbekannte Abessinien und die Flüsse Juba und Omo entdeckt, auf denen Gold, Marmor und Elfenbein transportiert wurden. Sein Leitspruch war der aller Eroberer: „Zerstören oder zerstört werden.“ Im melancholischen Ton des Beobachters und mit beißender Ironie erzählt der selbst in Asmara geborene Calligarich von der erschreckend aktuellen Gier nach Reichtum und der Gefährlichkeit von Macht.

„Wie ein wilder Gott“ von Gianfranco Calligarich ist ein bemerkenswertes literarisches Werk, das mich tief beeindruckt und zum Nachdenken angeregt hat. Der Roman, der im Paul Zsolnay Verlag erschienen ist, bietet nicht nur eine faszinierende Erzählung, sondern auch eine vielschichtige Reflexion über Macht, Gier und die menschliche Natur. Die Handlung spielt im Jahr 1933 in Rom und folgt einem gut siebzigjährigen pensionierten Präsidenten der Geographischen Gesellschaft. Dieser Mann, ein Nichtstuer, verbringt seine Tage damit, aus dem Fenster seiner Villa auf eine Gartenmauer zu starren. Während er dies tut, ziehen wie auf einer Leinwand die Bilder seines eigenen Lebens sowie die des berühmten italienischen Afrikaforschers Vittorio Bottego vorbei. Bottego, eine historische Figur, die zwischen 1860 und 1897 lebte, führte mehrere gewagte Expeditionen durch, bei denen er unbekannte Gebiete in Abessinien erkundete und Flüsse wie den Juba und den Omo entdeckte.

Diese Erinnerungen und Reflexionen dienen als zentrale Elemente des Romans und werden mit einem melancholischen Ton und beißender Ironie erzählt. Der Protagonist erinnert sich an die Gier und den unbändigen Ehrgeiz der Eroberer, die Bottego verkörpert. Dessen Leitspruch „Zerstören oder zerstört werden“ spiegelt die rücksichtslosen Ambitionen wider, die nicht nur seine eigenen Expeditionen, sondern auch die Geschichte der menschlichen Zivilisation geprägt haben. Gianfranco Calligarich, der 1947 in Asmara, Eritrea, geboren wurde, stammt aus einer Familie mit Wurzeln in Triest. Diese Herkunft prägt zweifellos seine literarische Perspektive und seinen Stil. Calligarich wuchs in Mailand auf und lebt seit vielen Jahren in Rom, wo er als Journalist und Drehbuchautor tätig ist. Bereits mit seinem vorherigen Roman „Der letzte Sommer in der Stadt“ erzielte er internationale Anerkennung. In „Wie ein wilder Gott“ setzt er seine Erkundung menschlicher Schwächen und Abgründe fort, diesmal vor dem Hintergrund der kolonialen Eroberungen in Afrika.

Besonders beeindruckend fand ich die Art und Weise, wie Calligarich die Figur des Protagonisten darstellt. Dieser Mann, der im Grunde sein Leben bereits hinter sich hat, ist ein stiller Beobachter seiner selbst und der Geschichte. Seine Reflexionen sind von einer tiefen Melancholie durchzogen, die jedoch nie in Selbstmitleid abgleitet. Stattdessen bleibt er nüchtern und kritisch gegenüber seiner eigenen Vergangenheit und den Ereignissen, die er miterlebt hat. Calligarich gelingt es meisterhaft, diese innere Zerrissenheit darzustellen und dem Leser ein Gefühl für die Zerbrechlichkeit des menschlichen Daseins zu vermitteln. Die historische Dimension des Romans, insbesondere die Bezugnahme auf Vittorio Bottego, verleiht dem Werk zusätzliche Tiefe. Bottego, der als eine Art Archetypus des kolonialen Eroberers fungiert, wird nicht nur als Held, sondern auch als Symbol für die zerstörerischen Kräfte dargestellt, die in jedem von uns schlummern. Diese doppelte Perspektive – die einerseits den Pioniergeist und andererseits die moralischen Dilemmata der Kolonialzeit beleuchtet – macht „Wie ein wilder Gott“ zu einer kraftvollen und zeitlosen Erzählung.

Was mir ebenfalls positiv aufgefallen ist, ist Calligarichs Schreibstil. Die Sprache ist präzise, poetisch und manchmal fast lakonisch. Die Beschreibungen sind detailreich, aber nie überladen, und die Dialoge wirken authentisch und lebendig. Es gibt Passagen, in denen die Bilder so stark und eindringlich sind, dass man das Gefühl hat, selbst Teil der Geschichte zu sein. Gleichzeitig bleibt genug Raum für eigene Interpretationen und Gedanken, was den Roman besonders anregend macht. Abschließend lässt sich sagen, dass „Wie ein wilder Gott“ ein Buch ist, das man nicht einfach liest, sondern erlebt. Es ist ein Werk, das noch lange nach der letzten Seite in einem nachhallt. Calligarichs Fähigkeit, komplexe Themen wie Macht, Gier und die menschliche Natur in einer so zugänglichen und dennoch tiefgründigen Weise zu behandeln, macht dieses Buch zu einem Muss für jeden Liebhaber anspruchsvoller Literatur. Es ist ein Roman, der sowohl durch seine historische Tiefe als auch durch seine literarische Qualität besticht und sicherlich seinen Platz in der modernen Literatur finden wird. Für diejenigen, die bereit sind, sich auf eine intensive und herausfordernde Leseerfahrung einzulassen, ist „Wie ein wilder Gott“ definitiv eine Empfehlung wert.

Wie ein wilder Gott

8.5

Aufmachung

8.5/10

Umfang

8.4/10

Schreibstil

8.5/10

Thema

8.5/10

Aufbau

8.5/10

Lesbarkeit

8.6/10

Illustrationen

8.4/10

Umsetzung

8.5/10

Hat mir besonders gefallen

  • Der Roman bietet eine tiefgründige und vielschichtige Erzählung, die durch die melancholische und ironische Stimme des Protagonisten besonders eindrucksvoll wird.
  • Die Verknüpfung von persönlicher Geschichte mit historischen Ereignissen, insbesondere der Bezug zu Vittorio Bottego und den kolonialen Eroberungen, verleiht dem Werk zusätzliche Tiefe und Relevanz.
  • Die Darstellung des Hauptcharakters, eines alternden Mannes, der seine Vergangenheit reflektiert, ist präzise und bewegend, was dem Leser einen tiefen Einblick in die menschliche Natur gibt.
  • Calligarichs präzise und poetische Sprache, die reich an Details ist, schafft eindrucksvolle Bilder und eine intensive Leseerfahrung.
  • Der Roman behandelt zeitlose Themen wie Macht, Gier und die Zerstörungskraft des menschlichen Ehrgeizes, die auch in der heutigen Zeit relevant sind.
Mediennerd
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Medienproduzent/Blogger, Katzenliebhaber und 1. FC Köln Fan im hohen Norden. Mit meiner Berufs- und Lebenserfahrung teste und vermarkte ich seit 2009 Produkte aller Art. Sie erhalten immer ein ehrliches Feedback.
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