Lückenleben: Mein Mann, der Alzheimer, die Konventionen und ich ist ein Buch aus dem DVA Verlag und erschien am 17. April 2024.
Möchten Sie das digitale Leseerlebnis für sich entdecken? Dann empfehle ich Ihnen diesen eReader als ausgezeichnete Wahl: eReader tolino epos 3.
Lückenleben
Fünf Jahre hat Katrin Seyfert ihren Mann durch seine Alzheimer-Erkrankung begleitet. Anfang 50 war er, als er die Diagnose bekam, Arzt und Vater von fünf Kindern. Sie hat den Familienalltag organisiert, die Finanzen, den Pflegedienst. Schließlich die Beerdigung. Schonungslos offen und brutal ehrlich erzählt sie davon, wie es ist, wenn der Partner allmählich seine Sprache und damit seine Identität verliert. Wie sie mit der Rolle hadert, die ihr erst als pflegende Ehefrau, dann als Witwe zugeschrieben wird. Und wie sie ihren eigenen Weg findet, sich mit der Lücke, die ihr Mann hinterlassen hat, zu arrangieren. Das Leben schlug zu, mit ihren Texten schlägt sie zurück: gegen die Konventionen, gegen die Tabus, gegen die Selbstverleugnung.
Das Buch „Lückenleben“ von Katrin Seyfert, veröffentlicht von der Deutschen Verlags-Anstalt in seiner zweiten Edition 2024, eröffnet schonungslos ehrliche Einblicke in die Herausforderungen, die die Alzheimer-Erkrankung eines geliebten Menschen mit sich bringt. Die Autorin, ein Pseudonym einer renommierten Journalistin, zeichnet in ihrem Werk die erschütternde Reise durch die Alzheimer-Erkrankung ihres Mannes Marc nach, beginnend mit seiner Diagnose im frühen Alter von Anfang 50. Mit einer berührenden Direktheit und brutalen Ehrlichkeit beschreibt Seyfert die schmerzhaften Veränderungen, die Marc durchleben musste, als er allmählich seine Sprache und damit einen Teil seiner Identität verlor. Es ist nicht nur ein Kampf gegen eine verheerende Krankheit, sondern auch gegen soziale Konventionen und persönliche Unsicherheiten, die im Umgang mit dieser Situation entstehen.
Besonders beeindruckend ist die Darstellung des Alltags, der sich um die Pflege dreht. Katrin Seyfert schildert detailliert, wie sie die Verantwortung für Finanzen, Pflegedienste und letztendlich die Organisation der Beerdigung übernahm. Ihre Sicht auf die Rollen, die ihr zugeschrieben wurden – erst als pflegende Ehefrau und dann als Witwe – offenbart tiefgreifende gesellschaftliche Erwartungen und den oft isolierenden Trauerprozess. Die literarische Qualität des Buches ist hervorzuheben. Trotz der ernsten Thematik wird der Text nie zu schwer oder unzugänglich. Seyfert nutzt eine präzise Sprache, die von Fachbegriffen bis hin zu umgangssprachlichen Ausdrücken reicht, und schafft es so, die Realität der Alzheimer-Erkrankung greifbar zu machen. Die Mischung aus persönlichen Anekdoten und kritischen Reflexionen über die Rolle der pflegenden Angehörigen bildet einen lehrreichen Kontrast, der zum Nachdenken anregt.
Die Reaktionen der Presse, wie sie im Probsteier Herold oder im Standard zitiert werden, bestätigen die emotionale und literarische Wirkung des Buches. Leser sind eingeladen, ihre Gefühle frei zu erleben – sei es Trauer oder ein Anflug von Hoffnung. Auffallend ist auch die feministische Perspektive, die sich insbesondere in der Auseinandersetzung mit den Rollenerwartungen an trauernde Frauen zeigt. Die Doppelstandards, die pflegende Männer oft als Helden und pflegende Frauen als selbstverständliche Versorgerinnen porträtieren, werden kritisch hinterfragt und fordern die Leser heraus, über traditionelle Geschlechterrollen nachzudenken.
Das Buch enthält zudem nützliche Literaturhinweise für jene, die sich tiefer mit dem Thema Alzheimer und dessen Auswirkungen beschäftigen möchten. Diese wissenschaftlichen und autobiographischen Quellen ergänzen die persönliche Erzählung Seyferts und bieten eine umfassende Ressource für Betroffene und Interessierte. Insgesamt ist „Lückenleben“ ein empfehlenswertes Werk, das nicht nur für direkt Betroffene von Alzheimer, sondern auch für ein breiteres Publikum von Interesse ist. Es beleuchtet die menschliche Seite einer Krankheit, die allzu oft in klinischen Begrifflichkeiten und Statistiken verloren geht. Katrin Seyferts mutiger und offener Bericht verdient große Anerkennung und bietet tiefe Einblicke in die emotionalen und sozialen Herausforderungen, die mit Alzheimer verbunden sind.
Lückenleben
Hat mir besonders gefallen
- Katrin Seyfert beschreibt detailliert und offen die Herausforderungen, die mit der Alzheimer-Erkrankung ihres Mannes verbunden sind, einschließlich des schrittweisen Verlusts seiner Sprache und Identität.
- Das Buch gibt tiefgreifende Einblicke in die Organisation des Alltags, die Übernahme von Pflegeaufgaben und finanziellen Verantwortlichkeiten, sowie in die emotionale Last, die pflegende Angehörige tragen.
- Seyfert thematisiert die Doppelstandards in der Wahrnehmung und Wertschätzung pflegender Männer im Vergleich zu Frauen und hinterfragt herkömmliche Geschlechterrollen.
- Das Buch bietet neben der persönlichen Geschichte auch wissenschaftliche und autobiographische Quellen, die es zu einem wertvollen Ressourcenmaterial für Interessierte und Betroffene macht.
- Trotz der ernsten und komplexen Thematik bleibt der Text gut lesbar und verständlich, mit einer Mischung aus Fachbegriffen und Alltagssprache.