Zerteilt

Zerteilt (Droemer)

Juli 2025

Der abschließende Höhepunkt von Michael Tsokos‘ True-Crime-Reihe um Rechtsmediziner Dr. Fred Abel, in dem ein religiöser Attentäter seine Opfer in Aufzügen attackiert.
Autor: Prof. Dr. Michael Tsokos
Genre: Thriller
85%
Umfang
88%
Schreibstil
90%
Thema
86%
Lesbarkeit
80%
Buchcover
60%
Illustrationen
„Zerteilt“ ist kein makelloses Finale, aber ein ehrliches.


82%

Ein letzter Schnitt – und ein Finale voller offener Wunden

Es ist ein seltsames Gefühl, wenn man ein Buch aufschlägt, von dem man weiß: Dies ist das Ende einer Reise. „Zerteilt“ ist der fünfte und letzte Band der Fred-Abel-Reihe von Prof. Dr. Michael Tsokos – und der Titel verspricht bereits, was einen erwartet: Zersplitterte Körper, zerrissene Seelen, auseinandergerissene Beziehungen. Und das alles eingebettet in einen True-Crime-Thriller, der mehr ist als blutige Unterhaltung. Tsokos liefert nicht nur Spannung, sondern auch Einblick – in das Innenleben eines Rechtsmediziners, in das Grauen echter Verbrechen und in eine Gesellschaft, die manchmal selbst zerschnitten scheint.

Von Beginn an spürt man: Dieses Buch schlägt in einem anderen Takt. Schneller. Härter. Und gleichzeitig persönlicher als die Teile davor.

Der Anatom des Grauens – Fred Abel kehrt zurück

Fred Abel, der Rechtsmediziner mit Herz und Nerven wie Drahtseilen, ist zurück – und zwar in einem Zustand, der irgendwo zwischen Überforderung, Wut und Einsamkeit schwankt. Die Ereignisse der vorangegangenen Bände haben Spuren hinterlassen. Die Welt um ihn herum brennt – nicht nur im übertragenen Sinn. In Berlin erschüttert eine Serie von Aufzugsanschlägen die Öffentlichkeit. Die Opfer? Willkürlich erscheinende Passanten. Die Tatwaffe? Schlicht und erschreckend effektiv. Der Täter? Ein Phantom mit religiösem Fanatismus – aber ist das wirklich die ganze Wahrheit?

Während Abel mit dem Berliner Ermittlerteam zusammenarbeitet, wird plötzlich sein eigenes Umfeld zur Zielscheibe. Marie, die Ex-Freundin eines seiner engsten Freunde, wird Opfer eines grausamen Angriffs. Schnell wird klar: Der Täter kennt sich aus. Zu gut. Und schlimmer noch – vielleicht sitzt er direkt neben ihnen. Der Verdacht eines Maulwurfs im Team breitet sich aus wie ein Gift, das die Zusammenarbeit lähmt. Abel muss nicht nur Leichen sezieren, sondern auch Lügen, Täuschungen und die eigenen Zweifel.

Zwischen Skalpell und Schuldgefühl

Tsokos gelingt etwas, das viele Thriller nur oberflächlich versuchen: Er zeigt nicht nur das Böse, sondern auch das Zerbrechliche im Menschen. Fred Abel ist kein Held im klassischen Sinn. Er funktioniert nicht immer. Er zweifelt. Er schläft schlecht. Und er hat Schuld auf seinen Schultern, auch wenn er versucht, sie mit Logik und Arbeit zu ertränken. Die Ermittlungen verlaufen dabei nie linear – und genau das macht die Spannung so real. Es gibt keine klaren Helden und keine einfachen Wahrheiten.

Immer wieder durchbricht der Autor die klassischen Erwartungen: Ein Verdächtiger, der zu perfekt passt. Eine Spur, die ins Leere führt. Ein Team, das an sich selbst zu zerbrechen droht. In diesem Chaos aus Indizien, Obduktionen und politischen Interessen versucht Abel, die Wahrheit wie ein Puzzle zusammenzusetzen. Doch je näher er ihr kommt, desto gefährlicher wird es – für ihn, für seine Freunde, für alle Beteiligten.

Wissenschaft trifft Wahnsinn – Tsokos‘ Handschrift

Michael Tsokos bringt eine Glaubwürdigkeit mit, die kaum ein anderer deutscher Thrillerautor bieten kann. Seine jahrelange Erfahrung als Rechtsmediziner durchdringt jede Seite des Romans. Die Beschreibungen der Obduktionen sind nicht bloß blutige Effekthascherei – sie sind sachlich, präzise, manchmal erschütternd nüchtern. Sie ziehen keine voyeuristische Grenze, sondern eine wissenschaftliche. Und gerade das macht sie so beklemmend.

Doch „Zerteilt“ ist kein medizinisches Lehrbuch. Es ist ein Roman – und zwar einer mit Herzrasen-Garantie. Die medizinischen Details ergänzen die Spannung, sie ersetzen sie nicht. Vielmehr geben sie ihr ein Fundament, das andere Thriller oft vermissen lassen. Es ist diese Kombination aus Fachwissen und Erzählkunst, die Tsokos so einzigartig macht.

Täter, Team und Tragödie – ein komplexes Geflecht

Die Figuren in „Zerteilt“ sind keine bloßen Statisten in Abels Universum. Jede hat ihre eigene Geschichte, ihre Brüche, ihre Geheimnisse. Besonders hervorzuheben ist das fragile Beziehungsgeflecht zwischen Abel und seinen Kollegen, das durch das Misstrauen innerhalb des Teams auf eine Zerreißprobe gestellt wird. Was passiert, wenn man nicht mehr weiß, wem man trauen kann? Wenn der Mörder vielleicht direkt neben einem steht? Tsokos nutzt diese Dynamik, um die psychologische Spannung in die Höhe zu treiben.

Auch der Täter ist nicht der klassische Wahnsinnige. Er ist berechnend, skrupellos – und gleichzeitig verstörend nachvollziehbar. In kurzen Kapiteln gewährt der Autor Einblicke in dessen Innenleben. Diese Perspektivenwechsel wirken wie kalte Duschen – sie lassen uns die Abgründe nicht nur erahnen, sondern fühlen. Das macht die Jagd nicht nur spannend, sondern auch unangenehm real.

Das Ende – schnell, schmerzhaft, konsequent

Wenn sich ein Autor dazu entscheidet, eine Reihe zu beenden, liegt viel Verantwortung auf seinen Schultern. Fans erwarten einen würdigen Abschied. Einen Knall. Eine Lösung. Einen Kreis, der sich schließt. Und ja, Tsokos liefert – zumindest zum Teil. Das Finale ist rasant, hart, teilweise brutal. Doch es geht so schnell, dass man fast nicht hinterherkommt. Manche Entwicklungen wirken gehetzt, als hätte das Buch ein paar Seiten zu wenig. Emotionale Konflikte, die sich über mehrere Bände aufgebaut haben, entladen sich in wenigen Sätzen. Das ist schade, denn hier wäre mehr Tiefe möglich gewesen.

Und doch passt dieses abrupte Ende irgendwie zu der Welt, die Tsokos gezeichnet hat. Eine Welt, in der es keine Gerechtigkeit auf Knopfdruck gibt. Keine sauberen Abschlüsse. Nur Entscheidungen – manche richtig, manche falsch – und die Folgen, die wir tragen müssen.

Fazit: Ein scharfes Skalpell in der Thriller-Landschaft

„Zerteilt“ ist kein makelloses Finale, aber ein ehrliches. Es zeigt uns einen Fred Abel, der an seine Grenzen geht – und darüber hinaus. Es nimmt uns mit in die Tiefe des menschlichen Körpers, aber auch in die Abgründe der menschlichen Psyche. Es will keine Heldengeschichte erzählen, sondern eine realistische. Und genau das gelingt ihm mit chirurgischer Präzision.

Michael Tsokos bleibt sich treu: klug, direkt, fundiert und dabei immer nah an der Realität. Wer die vorherigen Bände gelesen hat, wird sich von diesem letzten Fall mit einem mulmigen Gefühl verabschieden. Und wer neu einsteigt, wird nicht umhinkommen, den Anfang der Reihe aufzuschlagen – um zu verstehen, wie aus einem neugierigen Mediziner ein zerrissener Ermittler wurde.

Mediennerd
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Medienproduzent/Blogger, Katzenliebhaber und 1. FC Köln Fan im hohen Norden. Mit meiner Berufs- und Lebenserfahrung teste und vermarkte ich seit 2009 Produkte aller Art. Sie erhalten immer ein ehrliches Feedback.
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