Umlaufaufzug (edition tingeltangel)
Oktober 2024
Umlaufaufzug
Umlaufaufzug von Reiner Jansen ist ein außergewöhnlicher Pseudo-Thriller, der sich auf eine witzige und zugleich düstere Weise mit der Verlagsbranche, dem Gesundheitssystem und den Grenzen der Realität auseinandersetzt. Der Roman nimmt sich selbst nicht immer ernst, was dem Leser ein leichtes Schmunzeln abringt, während er gleichzeitig die verstörenden Szenarien mit einer gewissen Faszination verfolgt. Jansen gelingt es, die Grenzen zwischen Realität und Fiktion geschickt zu verwischen, sodass man sich als Leser oft fragt, was real ist und was der Fantasie des Protagonisten entspringt.
Der Plot – Mehr als ein simpler Thriller
Im Zentrum der Geschichte steht Torsten Todenhöfer, ein Autor, der sich mit dem Schreiben einer Autobiografie über den Mörder Anton beschäftigt. Dieser Protagonist ist jedoch keine reale Person, sondern eine Erfindung Todenhöfers, die zunehmend die Kontrolle über die Erzählung übernimmt. Schon zu Beginn wird klar, dass es nicht nur um Morde geht, sondern um viel tiefgründigere Themen wie Schuld, Schmerz und persönliche Dämonen. Todenhöfer gerät in eine Spirale von Ereignissen, die immer bizarrer und unkontrollierbarer werden. Der altertümliche Umlaufaufzug (Paternoster) im Verlagshaus, der eigentlich außer Betrieb ist, spielt dabei eine entscheidende Rolle, als er zu einer Art Metapher für die auf- und absteigenden Geisteszustände des Protagonisten wird.
Kritik am Verlagswesen und der Gesellschaft
Reiner Jansen nutzt das Setting geschickt, um seine Meinung über die Verlagsbranche und die moderne Gesellschaft in subtilen Seitenhieben einfließen zu lassen. Von versteckter Kritik an anderen bekannten Schriftstellern wie Sebastian Fitzek bis hin zu bissigen Kommentaren über das Gesundheitssystem, Jansen zieht keine Linie. Diese ironische und sarkastische Erzählweise verleiht dem Buch eine besondere Tiefe, die den Leser immer wieder dazu anregt, das Gelesene zu hinterfragen.
Figuren mit Tiefgang und verworrene Realitäten
Die Charaktere, insbesondere Anton und Todenhöfer, sind geschickt gezeichnet und entwickeln im Laufe der Handlung einen psychologischen Sog, dem man sich schwer entziehen kann. Anton, der fiktive Mörder, erscheint so real, dass er beinahe wie ein Schatten über die gesamte Handlung schwebt. Die Verlagerung zwischen Realität und Todenhöfers Fantasiewelt wird zunehmend verwirrender, was das Gefühl einer bedrohlichen Klaustrophobie verstärkt, ähnlich wie die Enge eines tatsächlichen Paternosters.
Die Interaktionen zwischen den Figuren, insbesondere die persönlichen Ansprache des Lesers durch Anton, verleihen der Geschichte einen einzigartigen Ton, der für einen Thriller ungewöhnlich ist. Hier zeigt sich Jansen als ein Meister darin, das Kopfkino der Leser in Bewegung zu setzen und sie emotional zu packen.
Reiner Jansens Stil – Einfach und doch fesselnd
Der Schreibstil von Reiner Jansen zeichnet sich durch kurze Kapitel und eine klare Sprache aus, die den Lesefluss beschleunigt. Man fliegt regelrecht durch das Buch, auch wenn die verwobenen Realitäten und die metaphorischen Ausflüge des Autors durchaus fordern. Immer wieder stößt der Leser auf humorvolle Passagen, die jedoch nie die düstere Grundstimmung des Buches untergraben, sondern sie gekonnt ergänzen.
In den Outtakes am Ende des Buches, wo Jansen Szenen nochmals aufgreift und neu schreibt, zeigt sich zudem, wie spielerisch der Autor mit seinem Material umgeht. Es sind diese kleinen Details, die das Buch von anderen Thrillern abheben und dem Leser ein intensives Erlebnis bieten.
Fazit – Ein Muss für Fans des Unkonventionellen
Umlaufaufzug ist kein gewöhnlicher Thriller, sondern eine clevere und humorvolle Auseinandersetzung mit den Abgründen der menschlichen Psyche und der modernen Gesellschaft. Wer sich auf die verworrene Struktur und die klaustrophobische Atmosphäre einlässt, wird mit einem fesselnden Leseerlebnis belohnt. Das Buch bietet eine spannende Mischung aus satirischer Kritik und nervenaufreibender Spannung, die lange nachhallt.
Für Leser, die Thriller mögen, aber auch gerne mal um die Ecke denken, ist Umlaufaufzug von Reiner Jansen definitiv eine Empfehlung wert.


