Super einsam (Kein & Aber)
September 2024
Super einsam
„Super einsam“ von Anton Weil ist mehr als nur ein Roman. Es ist ein Werk, das mich tief bewegt und zum Nachdenken gebracht hat. Der Autor nimmt uns mit auf eine Reise durch die verwundete Seele seines Protagonisten Vito, einem jungen Mann, der an den Herausforderungen des Lebens zu zerbrechen droht. Dabei gelingt es Weil, eine emotionale Tiefe zu erzeugen, die selten so authentisch und greifbar ist wie in diesem Buch.
Vito lebt in einer kleinen, kalten Wohnung in Berlin-Kreuzberg und ist nach der Trennung von seiner Freundin sowie dem Tod seiner Mutter völlig aus der Bahn geworfen. Einsamkeit und Verzweiflung durchziehen sein Leben wie ein roter Faden. Um der Leere zu entkommen, sucht er Ablenkung in den Kneipen der Hauptstadt, trifft auf skurrile Gestalten und gerät immer wieder an die Grenzen seines Verstands. In einem letzten verzweifelten Versuch, seine innere Balance zurückzugewinnen, macht er sich auf eine Reise an den Atlantik, an einen Ort, der für ihn einst mit Glück und Unbeschwertheit verbunden war. Diese Flucht ins Äußere wird zur Reise in sein Inneres, und Anton Weil begleitet ihn dabei mit einer beispiellosen sprachlichen Intensität.
Sprachliche Kraft und literarische Brillanz
Schon auf den ersten Seiten fällt auf, wie geschickt Weil mit Sprache umgeht. Der Roman wird durch einen Bewusstseinsstrom geprägt, der es ermöglicht, Vitos innere Kämpfe hautnah mitzuerleben. Gedankensprünge, Selbstgespräche und Erinnerungsfetzen fügen sich zu einem Mosaik zusammen, das die Zerrissenheit des Protagonisten eindrucksvoll darstellt. Diese Technik könnte leicht verwirrend wirken, doch Weil schafft es, die Balance zwischen Tiefe und Lesbarkeit zu halten.
Die Kneipenszenen im Buch sind ein besonderes Highlight. Mit fast dokumentarischer Präzision beschreibt der Autor die düstere Atmosphäre und die eigenwilligen Charaktere, die Vito begegnen. In diesen Passagen erinnert „Super einsam“ an die Werke von Sven Regener, der ebenfalls ein Meister darin ist, die Subkultur Berlins einzufangen. Gleichzeitig hebt sich Weils Schreibstil durch seine poetische Note ab, die zwischen der derben Realität und einer fast träumerischen Reflexion pendelt.
Zeitgenössische Themen mit universeller Relevanz
„Super einsam“ ist ein Buch, das mitten ins Herz der aktuellen Gesellschaft trifft. Einsamkeit, mentale Gesundheit und die Suche nach Identität sind Themen, die uns alle betreffen, insbesondere in einer Zeit, in der soziale Medien oft mehr Distanz schaffen, als sie überbrücken. Vitos Kämpfe sind dabei keineswegs überzeichnet oder dramatisch, sondern erschreckend real. Es ist leicht, sich in seinen Ängsten und Zweifeln wiederzuerkennen, was das Buch so eindringlich macht.
Besonders berührend ist die Auseinandersetzung des Protagonisten mit familiären Traumata. Der Verlust seiner Mutter und die komplizierte Beziehung zu seinem Vater ziehen sich wie ein Schatten durch Vitos Leben. Gleichzeitig wird die Frage nach moderner Männlichkeit und emotionaler Offenheit subtil, aber wirkungsvoll thematisiert. Vitos Begegnungen mit anderen Figuren, die ihm Nähe und Zuneigung anbieten, werden zu kleinen Lichtblicken, die Hoffnung in die Dunkelheit bringen.
Über den Autor: Anton Weil
Anton Weil, geboren 1989 in Berlin, ist ein wahres Multitalent. Ursprünglich aus der Schauspielwelt stammend, hat er an renommierten Theatern wie dem Maxim Gorki Theater und dem Schauspielhaus Hamburg gearbeitet. Sein Talent wurde auch international in der italienisch-griechischen Produktion „The Man with the Answers“ wahrgenommen, einem queeren Roadmovie, das seine Vielseitigkeit als Künstler unter Beweis stellt.
Doch Weil ist nicht nur Schauspieler, sondern auch Musiker. Unter dem Künstlernamen WEIL veröffentlichte er 2021 sein Debütalbum „GROLL“, in dem er persönliche Erfahrungen und Emotionen verarbeitet. „Super einsam“ ist sein erster Ausflug in die Literatur, und doch wirkt das Werk, als hätte er bereits ein Leben lang geschrieben. Die emotionale Tiefe und literarische Qualität des Romans zeigen, dass Weil als Autor genauso viel zu bieten hat wie auf der Bühne oder in der Musik.
Meine persönliche Leseerfahrung
Während ich „Super einsam“ las, hatte ich oft das Gefühl, direkt neben Vito zu stehen – in seiner kalten Wohnung, in den verrauchten Bars oder an den rauen Klippen des Atlantiks. Es ist selten, dass ein Buch so tief in die Psyche einer Figur eintaucht und den Leser mit jeder Seite intensiver einbindet. Was mich besonders beeindruckt hat, war die Balance zwischen Tragik und Hoffnung. Trotz aller Dunkelheit im Leben des Protagonisten gibt es immer wieder Momente, die zeigen, dass Veränderung möglich ist.
Das Buch hat mich nachdenklich gemacht und auch dazu inspiriert, über meine eigenen Beziehungen und die Bedeutung von Nähe nachzudenken. „Super einsam“ ist keine leichte Lektüre, aber gerade das macht es so wertvoll. Es ist ein Werk, das lange nachhallt und bei jedem neuen Lesen neue Facetten offenbart.
Fazit
„Super einsam“ ist ein beeindruckendes Debüt, das durch seine sprachliche Brillanz und seine emotionale Tiefe besticht. Anton Weil gelingt es, Themen wie Einsamkeit, Identität und Verlust auf eine Art zu behandeln, die universell und gleichzeitig hochpersönlich ist. Der Roman fordert den Leser heraus, gibt ihm aber auch viel zurück. Für alle, die sich für zeitgenössische Literatur und die Herausforderungen unserer Zeit interessieren, ist dieses Buch ein absolutes Muss.
