Schwebedialoge (BusinessVillage)
September 2024
Schwebedialoge
In einer Zeit, in der Kommunikation oft auf Problemlösung und Konsensfindung ausgerichtet ist, bietet das Buch „Schwebedialoge: Kommunizieren jenseits von Konsens und Lösung“ von Britta Albegger und Geza Horvat einen erfrischend anderen Ansatz. Die Autoren präsentieren ein Kommunikationsformat, das weder strikte Ziele verfolgt noch einen thematischen Fokus vorgibt. Stattdessen öffnet der Schwebedialog einen Raum für echten Austausch und erlaubt, dass alles genau so sein darf, wie es ist. Hier steht nicht die Lösung im Vordergrund, sondern das gemeinsame Entdecken, Zuhören und der wertfreie Austausch. Diese Herangehensweise hat mich besonders angesprochen, da sie eine Kommunikation fördert, die frei von den üblichen Erwartungen ist, immer zu einem Ergebnis kommen zu müssen.
Die Autoren: Britta Albegger und Geza Horvat
Britta Albegger vereint künstlerische Kreativität mit systemischem Denken. Nach ihrem Abschluss an der Universität der bildenden Künste in Wien und einer Ausbildung für systemische Organisationsentwicklung arbeitete sie in internationalen Innovations- und Veränderungsprojekten. Ihrer Begeisterung für das Aufbrechen eingefahrener Denkmuster entsprang schließlich die Idee für den Schwebedialog, dem sie sich seither voll und ganz widmet.
Geza Horvat ist jemand, der durch seine unstillbare Neugier und Leidenschaft, den Dingen auf den Grund zu gehen, den Schwebedialog vorantreibt. Er hat in unterschiedlichsten Bereichen Erfahrung gesammelt – vom Studium der Wirtschaftsinformatik, über seine Arbeit als Regisseur bei Film und Fernsehen bis hin zur Tätigkeit in einer künstlerischen NPO, in der er als IT-Experte tätig ist. Diese ungewöhnliche Mischung zeigt sich in der Vielfalt und Offenheit, die der Schwebedialog fördert, und macht seine Perspektiven auf Kommunikation besonders spannend.
Der blinde Fleck der Problemlösungsbrille
Unser Denken ist oft so sehr auf die Lösung von Problemen fixiert, dass wir den „blinden Fleck der Problemlösungsbrille“ gar nicht bemerken. Dieser Begriff aus dem Buch beschreibt, wie eingeschränkt unsere Wahrnehmung wird, wenn wir ständig auf Effizienz und Ergebnisorientierung achten. Im Gegensatz dazu lädt der Schwebedialog dazu ein, diese Brille abzulegen und Kommunikation als offenen Prozess zu erleben, der nicht zwangsläufig auf eine Lösung oder einen Konsens abzielt. Das fand ich erfrischend, weil es den Druck herausnimmt, sofort die „richtige“ Antwort oder den perfekten Kompromiss finden zu müssen. Dieser Ansatz zeigt, wie wir unsere Wahrnehmung erweitern können, indem wir akzeptieren, dass nicht jedes Gespräch ein Ergebnis liefern muss. Für mich war das eine neue Erkenntnis, die die Kommunikationsprozesse tiefgreifend verändern kann.
Anwendung des Schwebedialogs in verschiedenen Kontexten
Eines der herausragenden Merkmale des Buches ist die praktische Anwendbarkeit des Schwebedialogs. Ob im Team, in Beratungssettings oder mit engen Freunden und Familie – mit einem Schwebedialog schafft man einen sicheren Ort, an dem Orientierung, Vertrauen und Kreativität gefördert werden. Durch die lockere Struktur und die offene Herangehensweise kann man im Schwebedialog Gedanken und Ideen teilen, die im alltäglichen Gespräch oft zurückgehalten werden. Die Autoren zeigen praxisnah, wie dieses Format in unterschiedlichen Situationen und Beziehungen zu mehr Tiefe und gegenseitigem Verständnis führen kann. Besonders beeindruckend fand ich dabei, dass der Schwebedialog Konflikte nicht lösen, sondern beleuchten soll, ohne sie sofort zu bewerten oder zu klären.
Persönliche Reflexion und Erkenntnisse
Beim Lesen des Buches wurde mir bewusst, wie oft ich in Gesprächen unbewusst nach schnellen Lösungen oder Einigungen strebe. Der Schwebedialog ermutigt dazu, diesen Impuls zu hinterfragen und stattdessen den Prozess des Austauschs selbst wertzuschätzen. Für mich hat das eine neue Qualität des Zuhörens und Mitfühlens eröffnet, die ich im Alltagsgespräch manchmal vermisse. Es entsteht ein tieferes Verständnis dafür, was Menschen wirklich bewegt und wie unsere eigenen Vorstellungen und Vorurteile die Realität formen, in der wir leben. Diese neue Art des Zuhörens und Wahrnehmens, die im Schwebedialog praktiziert wird, hat mein eigenes Verständnis von Kommunikation erweitert und mir gezeigt, dass ich durch weniger Fokus auf ein sofortiges Ergebnis deutlich freier und ehrlicher kommunizieren kann.
Fazit: Ein neuer Weg der Kommunikation
„Schwebedialoge: Kommunizieren jenseits von Konsens und Lösung“ bietet einen innovativen Ansatz, der die Art und Weise, wie wir miteinander kommunizieren, grundlegend hinterfragt und bereichert. Das Buch lädt dazu ein, den Fokus von der reinen Problemlösung hin zu einem offenen, wertschätzenden Austausch zu verlagern. Es schafft eine neue Form der Verbundenheit und lässt uns die Vielfalt der Perspektiven schätzen, ohne sie gleich in ein gemeinsames Ergebnis zu pressen. Ein empfehlenswertes Buch für alle, die ihre Kommunikationsfähigkeiten vertiefen und authentischere Gespräche führen möchten. Gerade in einer Zeit, in der oft nur auf das Ergebnis geachtet wird, bringt der Schwebedialog einen wertvollen Kontrast – und eine Erinnerung daran, dass nicht alles in einer Lösung münden muss.