Nachbarinnen (Gmeiner Verlag)
September 2024
Rezension zu „Nachbarinnen“ von Ella Danz
Mit „Nachbarinnen“ legt Ella Danz einen Roman vor, der mich als Leserin tief bewegt und nachdenklich gemacht hat. Vier Frauen, die unterschiedlicher kaum sein könnten, leben Tür an Tür in einem Mietshaus und werden durch die Umstände ihres Lebens enger miteinander verbunden, als ihnen vielleicht lieb ist. Die Handlung entfaltet sich langsam, doch die sich zunehmend verknüpfenden Schicksale der Protagonistinnen haben mich von Anfang an gefesselt.
Die Charaktere – so nah und doch so fern
Jenny, die unbedingt schwanger werden will, ringt verzweifelt mit den Herausforderungen, die ihr unerfüllter Kinderwunsch mit sich bringt. Ihre Sehnsucht nach einer Familie und der Frust darüber, dass sich dieser Wunsch nicht erfüllt, machen sie zu einer der emotional eindrucksvollsten Figuren des Romans. Ich konnte ihre Einsamkeit und Unsicherheit nahezu körperlich spüren.
Tanja, die alleinerziehende Mutter von drei Kindern, stellt sich täglich dem Chaos des Alltags. Ihre Stärke, aber auch ihre Müdigkeit, haben mich beeindruckt. Besonders faszinierend fand ich, wie Ella Danz die Ambivalenz von Tanjas Situation herausarbeitet: Einerseits ist sie stolz auf das, was sie für ihre Kinder leistet, andererseits hadert sie immer wieder mit den Schwierigkeiten, die ihr das Alleinsein auferlegt.
Vera, deren Leben von der Pflege ihres behinderten Mannes bestimmt wird, kämpft mit ganz anderen Herausforderungen. Die Sorge um ihren Mann und die fehlende Unterstützung von außen lassen sie an ihre Grenzen kommen. Auch wenn Vera nach außen hin stark erscheint, zeigt sich im Laufe des Romans, wie tief ihre Einsamkeit sitzt.
Frederike, die sich aufopfernd um ihren kränkelnden Sohn kümmert, bringt das Bild der selbstlosen Mutter auf den Punkt. Doch auch hier schält sich im Verlauf der Geschichte ein weiteres Thema heraus: die Frage, wo Selbstaufopferung endet und wo das eigene Leben wieder in den Fokus rücken darf.
Jede dieser Frauen durchläuft im Verlauf der Handlung eine Entwicklung, die eng mit ihren Nachbarinnen verwoben ist. Das Schöne an dem Roman ist, dass diese Veränderungen nicht plakativ oder überdramatisiert daherkommen. Stattdessen gibt Ella Danz den Charakteren die nötige Zeit, sich zu entfalten, was die Geschichte umso realer wirken lässt.
Ein tiefgründiger Blick auf die Fassade des Alltags
Die Handlung von „Nachbarinnen“ zeigt, dass der äußere Schein trügt. Während jede der Frauen versucht, ihren Alltag zu bewältigen, treten immer mehr Risse in der vermeintlich heilen Fassade des Lebens zutage. Besonders berührend fand ich, wie Ella Danz es schafft, diese Risse subtil, aber wirkungsvoll in die Geschichte zu integrieren. Ohne dass es aufgesetzt wirkt, zeigt der Roman, wie komplex und facettenreich das Leben und die Beziehungen sind – auch wenn es oft von außen anders erscheint.
Die Frage, was uns die Liebe antut, zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch. Liebe wird in all ihren Formen und Facetten dargestellt: Die Liebe zu einem Kind, die Liebe zu einem Partner und die Liebe zu sich selbst. Doch an keiner Stelle wirkt der Roman kitschig oder übertrieben romantisch. Im Gegenteil: Ella Danz schafft es, die bittersüßen, manchmal auch schmerzhaften Aspekte der Liebe zu beleuchten.
Die Autorin – Eine Meisterin der leisen Töne
Ella Danz ist vor allem als Krimiautorin bekannt und hat sich durch ihre Angermüller-Reihe, die oft als „Gourmetkrimis“ bezeichnet wird, einen Namen gemacht. Mit „Nachbarinnen“ zeigt sie jedoch eine andere Seite ihres Könnens. Sie beweist, dass sie nicht nur Spannung, sondern auch emotionale Tiefe und komplexe zwischenmenschliche Beziehungen meisterhaft darstellen kann. Die leisen Töne, die sie in diesem Buch anschlägt, haben mich besonders beeindruckt. Es sind nicht die großen, dramatischen Wendungen, die den Roman tragen, sondern die kleinen, alltäglichen Momente, die das Leben der Figuren so authentisch machen.
Fazit: Ein Buch, das nachklingt
„Nachbarinnen“ ist ein Roman, der mich auch nach dem Lesen nicht losgelassen hat. Die fein gezeichneten Charaktere und die subtil erzählten Geschichten haben mich dazu gebracht, über meine eigenen Nachbarn und das, was sich hinter ihren Türen abspielen mag, nachzudenken. Ella Danz gelingt es, ein tiefes Verständnis für die Höhen und Tiefen des Lebens zu vermitteln, ohne dabei belehrend zu wirken.
Ich empfehle dieses Buch jedem, der Lust auf eine tiefgründige, aber dennoch leicht zugängliche Geschichte hat. „Nachbarinnen“ ist kein Roman, der sich durch große Dramen auszeichnet, sondern durch die leisen, bewegenden Momente, die das Leben manchmal mit sich bringt.
Insgesamt ein gelungenes Werk, das die Komplexität des Alltags und der zwischenmenschlichen Beziehungen auf eindrucksvolle Weise darstellt.


