«Mir geht’s gut, wenn nicht heute, dann morgen.»: Erika Freeman: Der Roman eines Jahrhundertlebens erschien im Rowohlt Buchverlag am 17. Oktober 2023.
Mir geht’s gut, wenn nicht heute, dann morgen
Fast ihr ganzes Leben hat Erika Freeman in New York verbracht, dann sitzt sie eines Abends in der Talkshow von Dirk Stermann, «Willkommen, Österreich», und verzaubert ihren Gastgeber und die Nation. Im hohen Alter lebt sie wieder in ihrer Heimatstadt Wien, jeden Mittwoch kommt Dirk sie nun besuchen, um sich mit ihr bei Kipferln und Melange über Gott und die Welt zu plaudern, und aus diesem erzählten Jahrhundertleben einen so amüsanten wie bewegenden Roman zu machen.
Geboren 1927, ist Erika mit 12 Jahren vor den Nazis nach New York geflohen. Sie wächst in einem Waisenhaus auf, hat Anteil an der Gründung Israels und wird nach dem Studium Psychoanalytikerin; ganz auf sich gestellt, ihre Mutter hat den Krieg nicht überlebt. Ihr Vater, vermeintlich im KZ gestorben, glaubt seinerseits, als Einziger der Familie überlebt zu haben, bis er mitten auf dem Broadway seinen Bruder trifft. Als Therapeutin ist Erika bald eine Berühmtheit, die Riege ihrer berühmten Patienten reicht von Washington bis Hollywood. Nun, mit 95, ist sie wieder Österreicherin geworden, residiert im berühmten Hotel Imperial, wo einst Hitler nächtigte, und wenn man sie fragt, wie es ihr geht, sagt sie: «Gut. Wenn nicht heute, dann morgen.»
In „Mir geht’s gut, wenn nicht heute, dann morgen“ entführt uns Dirk Stermann in die faszinierende Lebensgeschichte von Erika Freeman, einer beeindruckenden Frau, die trotz zahlreicher Widrigkeiten stets ihren Lebensmut bewahrt hat. Das Buch bietet einen einzigartigen Einblick in ein bewegtes Jahrhundertleben, das von der Flucht vor den Nazis über die Gründung Israels bis hin zur Karriere als renommierte Psychoanalytikerin in den USA reicht. Dirk Stermann gelingt es, die Erzählungen von Erika Freeman in einer leichtfüßigen und unterhaltsamen Weise zu präsentieren. Die Geschichte wird lebendig, humorvoll und zugleich bewegend erzählt. Der Autor schafft es, eine Verbindung zwischen Leser und der faszinierenden Protagonistin herzustellen, sodass man sich wünscht, selbst Zeit mit dieser bewundernswerten Frau zu verbringen.
Die Gespräche zwischen Dirk Stermann und Erika Freeman, die sich regelmäßig bei Kaffee, Mineralwasser und Kipferln im Hotel Imperial treffen, sind eine Freude zu verfolgen. Die beiden lassen den Leser an ihren Gedanken teilhaben, sei es bei freien Assoziationen oder in therapeutisch anmutenden Momenten. Dabei streifen sie nicht nur Erika Freemans bewegte Vergangenheit, sondern auch aktuelle Themen wie Donald Trump und Anekdoten aus dem Wiener Alltag. Besonders beeindruckend ist die Art und Weise, wie Dirk Stermann das Memoir aufbaut. Er operiert förmlich am Herzen der Geschichte und lässt den Leser direkt an den Erlebnissen von Erika Freeman teilhaben. Der jüdische Humor und die jüdische Geschichte des 20. Jahrhunderts werden dabei ebenso geschickt eingeflochten wie die aktuellen Bezüge zur Corona-Pandemie und Erika Freemans unerwartete Rückkehr nach Wien.
Insgesamt ist „Mir geht’s gut, wenn nicht heute, dann morgen“ ein herausragendes Buch, das nicht nur fesselnd und humorvoll, sondern auch tief bewegend ist. Dirk Stermanns Erzählstil und die einzigartige Lebensgeschichte von Erika Freeman machen dieses Werk zu einem wertvollen Beitrag, der gerade in Zeiten wie diesen, geprägt von Unsicherheit und Veränderung, eine besondere Bedeutung gewinnt.
Mir geht's gut, wenn nicht heute, dann morgen
Hat mir besonders gefallen
- Faszinierende Lebensgeschichte von Erika Freeman, die von Flucht vor den Nazis bis zur Karriere als Psychoanalytikerin reicht.
- Leichtfüßige und unterhaltsame Erzählweise von Dirk Stermann, die die Geschichte lebendig und bewegend präsentiert.
- Gelungene Verbindung zwischen Leser und Protagonistin, wodurch der Wunsch entsteht, selbst Zeit mit dieser beeindruckenden Frau zu verbringen.
- Freudevolle und tiefgehende Gespräche zwischen Stermann und Freeman, die aktuelle Themen sowie Anekdoten aus dem Wiener Alltag umfassen.