Hotel Castoria (KLAK Verlag)
März 2024
Hotel Castoria
„Hotel Castoria“ von Daniel Bendix entführt die Leserinnen und Leser in eine faszinierende und zugleich befremdliche Welt: die eines kleinen, idyllisch gelegenen Universitätscampus in der brandenburgischen Provinz. Veröffentlicht im KLAK Verlag, besticht der Roman durch seinen humorvollen Stil und den scharfen Blick auf zwischenmenschliche und gesellschaftliche Abgründe. Daniel Bendix gelingt es auf bemerkenswerte Weise, die scheinbar unbedeutende Welt eines kleinen Studienortes zum Spiegelbild größerer, globaler Themen zu machen.
Handlung und Aufbau
Die Geschichte wird aus der Perspektive von Marko erzählt, einem freiberuflichen Dozenten, der sich in seinem beruflichen Alltag als Spielball eines Systems empfindet, das auf prekären Beschäftigungsverhältnissen und ständiger Unsicherheit basiert. Die Universität, in der Marko arbeitet, ist geprägt von einer christlichen Mission und zieht Studierende aus aller Welt an.
In Tagebuchform dokumentiert Marko seine Erfahrungen, seine Begegnungen mit Studierenden, Kolleginnen und Kollegen sowie mit den eigenartigen Ritualen, die das Universitätsleben bestimmen. Was auf den ersten Blick wie eine skurrile, aber dennoch harmlose Umgebung wirkt, offenbart bald tiefere Risse. Während die dörfliche Idylle von Natur umgeben scheint, entpuppen sich viele Aspekte als belastend und unberechenbar. Markos Schilderungen sind nicht nur humorvoll, sondern auch zutiefst ironisch, und oft bleibt offen, ob er den akademischen Betrieb mit Faszination oder Verzweiflung betrachtet.
Die friedliche Fassade bekommt schließlich Risse, als die COVID-19-Pandemie ausbricht und die Universität sich gezwungen sieht, Sicherheitsmaßnahmen zu treffen. Gerade internationale Studierende, die durch ihre Arbeit in der Fleischindustrie angeblich das Virus eingeschleppt haben sollen, geraten ins Kreuzfeuer. Die Pandemie wird so zum Katalysator, der die bereits vorhandenen sozialen Spannungen verstärkt und latente Vorurteile offenlegt. Die Illusion einer idyllischen Gemeinschaft zerbricht und enthüllt eine Realität, in der Ausbeutung, Rassismus und Ignoranz unübersehbar werden.
Stil und Sprache
Bendix’ Schreibstil ist prägnant, humorvoll und auf den Punkt gebracht. Die Erzählweise lässt oft Raum für Interpretation und zeigt, wie schmal der Grat zwischen Sarkasmus und bitterem Ernst sein kann. Markos Tagebuchform ermöglicht eine intime Perspektive, die die Leserin und den Leser in den Kopf des Erzählers zieht.
Besonders hervorzuheben ist der feine, oft bissige Humor, den Bendix in seine Schilderungen einfließen lässt. Die Dialoge und inneren Monologe der Figuren sind nicht nur unterhaltsam, sondern erlauben auch einen Blick hinter die Kulissen des Universitätsalltags, in dem Oberflächlichkeiten und Klischees oft mehr Bedeutung beigemessen wird als echter Reflexion.
Themen und Motive
Der Roman greift auf geschickte Weise eine Vielzahl an Themen auf: Rassismus, Neoliberalismus, Arbeitsausbeutung und die oftmals verborgenen kolonialen Machtstrukturen im Bildungssystem. Die Studierenden aus unterschiedlichen Kulturen und sozialen Hintergründen werden zum Sinnbild der Herausforderungen der Globalisierung. Gleichzeitig wird die Frage aufgeworfen, wie sich das vermeintlich progressive und tolerante Milieu einer christlichen Universität zu Themen wie sozialer Gerechtigkeit und Integration verhält.
Die Pandemie dient als Katalysator und bringt die unausgesprochenen Konflikte und Spannungen ans Tageslicht. Die Tagebuchaufzeichnungen Markos geben zudem einen Einblick in seine eigenen Unsicherheiten und die Auseinandersetzung mit einem System, das seine persönliche wie berufliche Existenz infrage stellt.
Der Autor: Daniel Bendix
Daniel Bendix, Jahrgang 1980, ist nicht nur Schriftsteller, sondern auch Sozialwissenschaftler. Er arbeitet als Professor für Globale Entwicklung und engagiert sich seit Jahren in antirassistischen und internationalen Bildungsinitiativen. Sein Hintergrund in der Entwicklungsforschung und seine politische Arbeit in Projekten, die sich mit postkolonialen und machtkritischen Themen auseinandersetzen, prägen seine literarische Arbeit stark. „Hotel Castoria“ ist sein Debütroman, und schon mit diesem Werk zeigt er eine bemerkenswerte Fähigkeit, komplexe soziale Themen in unterhaltsame und zugleich tiefgründige Geschichten zu verpacken. Sein Wissen und seine Lebenserfahrung fließen in die Figuren und Themen des Romans ein und geben dem Werk eine besondere Authentizität.
Persönliche Eindrücke
Beim Lesen von „Hotel Castoria“ war ich von der Mischung aus Humor und Tiefgründigkeit fasziniert. Bendix schafft es, das oft düstere Bild der Universitätslandschaft mit einem gewissen Galgenhumor zu beleuchten, ohne jedoch die ernsten Untertöne zu vernachlässigen. Besonders beeindruckt hat mich die Darstellung der IT-Zentrale als Symbol für die bürokratischen Hürden, die das Leben und Arbeiten an der Universität oft lähmen.
Ein weiterer Höhepunkt waren die Szenen, in denen die Studierenden ihre Erfahrungen in den Praktika schildern. Ob bei McDonald’s, im Altersheim oder in der Fleischfabrik – ihre Berichte zeichnen ein eindrucksvolles Bild der globalen Verstrickungen und der sozialen Ungerechtigkeiten, die oft im Verborgenen bleiben.
Fazit
„Hotel Castoria“ ist ein herausragender Roman, der die Lesenden in eine Parallelwelt entführt, die zugleich fremd und vertraut wirkt. Mit feinem Humor und scharfem Blick für Details zeigt Daniel Bendix die Absurditäten des Universitätsalltags und regt zu einer kritischen Auseinandersetzung mit den Strukturen unseres Bildungssystems an.
Für alle, die sich für Gesellschaftsromane mit Tiefgang und einer guten Portion Ironie interessieren, ist dieses Buch ein absolutes Muss.


