Herup vom Tisch und Lechaim: Ein jüdisches Leben im Nachkriegsdeutschland ist ein Buch aus dem Edition Königstuhl Verlag und erschien am 1. April 2024.
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Herup vom Tisch und Lechaim
Erzählt wird von einem jüdischen Leben der zweiten Generation im Deutschland nach dem 2. Weltkrieg. Die geschilderte Gegenwart ist durchdrungen von der Vergangenheit – von der verschwiegenen ebenso wie von der überlieferten: Eingeschaltet als Rückblenden oder als von verschiedenen Romanfiguren erzählte Passagen sind Biographien von Familienmitgliedern des Protagonisten oder anderen jüdischen Personen, Fluchtgeschichten, Szenen aus dem Lager Mauthausen und von der Schlacht von Lissa sowie, als radikal präsentischer Kontrapunkt zu Max‘ Geschichte, die Erzählung seiner Nichte Mania, einer Kommandeurin der israelischen Armee im heutigen Israel. Wie Vergangenheit und Gegenwart verschränken sich im Roman Erinnerung und Imagination.
„Herup vom Tisch und Lechaim: Ein jüdisches Leben im Nachkriegsdeutschland“ von Joachim Benclowitz, das 2024 im Edition Königstuhl Verlag erscheint, bietet einen tief bewegenden Einblick in die Suche nach Identität und Zugehörigkeit in einer von Krieg und Holocaust geprägten Welt. Dieses Buch hat mich auf mehreren Ebenen berührt, da es das Leben der zweiten jüdischen Generation im Nachkriegsdeutschland sehr eindringlich und authentisch beschreibt. Max, der Protagonist, wird in den 1950er-Jahren in Stuttgart geboren und wächst in einer kleinen jüdischen Gemeinde auf. Von Beginn an ist sein Leben von den Erlebnissen seines Vaters, eines Holocaust-Überlebenden, überschattet. Das Verhältnis zum Vater ist von ungesprochenen Erwartungen und einer tiefen, generationenübergreifenden Schuld geprägt. Diese emotionale Last, die der Vater nicht abschütteln kann, lastet nun auch auf Max und formt seine gesamte Lebensreise. Schon als Kind spürt Max den allgegenwärtigen Antisemitismus und die Erwartungen seines Vaters, der in ihm eine Möglichkeit sieht, das jüdische Erbe in Deutschland zu bewahren.
Das Buch ist in Rückblenden und durch Erzählungen verschiedener Charaktere strukturiert, was der Geschichte eine besondere Tiefe verleiht. Max muss sich nicht nur mit seiner eigenen Identität auseinandersetzen, sondern auch mit den Traumata seiner Familie. Besonders eindrucksvoll fand ich die Darstellung von Max‘ Nichte Mania, die als Kontrapunkt zu Max in Israel lebt und als Kommandeurin in der israelischen Armee eine völlig andere Perspektive auf das jüdische Leben verkörpert. Diese Gegenüberstellung von Max‘ Leben im von Schuldgefühlen und Vergangenheit geprägten Deutschland und Manias Zukunft in Israel verleiht dem Buch eine besondere Dynamik. Das Buch ist jedoch nicht nur eine persönliche Geschichte, sondern auch ein kraftvolles Statement über die jüdische Erfahrung in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. Die verschlungenen Pfade von Erinnerung und Vergessen, die im gesamten Werk sichtbar werden, ziehen einen in die Geschichte hinein und lassen einen die Komplexität jüdischer Identität in dieser Zeit besser verstehen. Die Darstellung des Mauthausen-Lagers und der Schlacht von Lissa gibt dem Roman eine historische Tiefe, die ihn von anderen Familiengeschichten abhebt. Gleichzeitig bleibt es aber stets ein Buch über das Hier und Jetzt, über die ständige Herausforderung, die Vergangenheit mit dem eigenen Leben zu verbinden.
Joachim Benclowitz, der Autor dieses Werkes, ist selbst ein Experte für Arbeitsrecht und Urheberrecht und hat als Dozent in Hamburg gearbeitet. Geboren 1956 in Stuttgart, greift er auf persönliche und familiäre Erfahrungen zurück, die dem Buch eine besondere Authentizität verleihen. Seine juristische Karriere scheint im ersten Moment wenig mit der Thematik des Buches zu tun zu haben, doch gerade seine analytische Denkweise und die präzise Darstellung komplexer emotionaler Themen machen dieses Werk zu einem literarischen Genuss. Es ist faszinierend zu sehen, wie Benclowitz das Aufwachsen in einer Nachkriegsgesellschaft mit einer jüdischen Erziehung in Deutschland, Frankreich und Israel vereint. Während der Lektüre habe ich mich immer wieder gefragt, wie es für Max möglich ist, sich von den Fesseln der Vergangenheit zu befreien und dennoch eine Verbindung zu seiner Familiengeschichte zu bewahren. Besonders nach dem Tod seines Vaters steht er vor der Entscheidung, ob er sich von dieser Vergangenheit löst oder ob er weiter versuchen soll, die Erwartungen seiner Familie zu erfüllen. Erst als Max ein altes Familiengeheimnis entdeckt, erkennt er, dass er den Mut haben muss, sein eigenes Leben zu führen, was schließlich zur zentralen Botschaft des Buches wird.
„Herup vom Tisch und Lechaim“ ist nicht nur ein Roman über die jüdische Nachkriegsgeneration, sondern auch ein Buch über Selbstfindung, Befreiung und die Herausforderung, in einer zerrissenen Welt seinen Platz zu finden. Für mich war es eine eindrucksvolle Lektüre, die mich nicht nur über das jüdische Leben in Deutschland nachdenken ließ, sondern auch über universelle Themen wie Familie, Schuld und die Suche nach Identität. Die tief verwobenen Geschichten, die über mehrere Generationen hinweg erzählt werden, machen das Buch zu einem besonderen Werk, das mich noch lange nach dem Lesen beschäftigt hat. Für alle, die sich für jüdische Geschichte, Nachkriegsliteratur und familiäre Generationenkonflikte interessieren, ist dieses Buch eine absolute Empfehlung. Es verbindet historische Tiefe mit einer zutiefst persönlichen Geschichte und schafft es, ein bewegendes Porträt der jüdischen Nachkriegsgeneration in Deutschland zu zeichnen.
Herup vom Tisch und Lechaim
Hat mir besonders gefallen
- Das Buch bietet eine tief bewegende und realistische Schilderung des Lebens der zweiten jüdischen Generation im Nachkriegsdeutschland, die emotional und historisch greifbar ist.
- Die Verwendung von Rückblenden und unterschiedlichen Perspektiven, besonders die Kontraste zwischen Max' und Manias Leben, verleiht der Geschichte eine besondere Tiefe und Dynamik.
- Das Einbinden historischer Ereignisse wie der Shoah, dem Mauthausen-Lager und der Schlacht von Lissa gibt dem Roman eine starke geschichtliche Basis, die über die persönliche Erzählung hinausgeht.
- Max' Suche nach einem Platz in der Welt, der sowohl seine jüdischen Wurzeln als auch seine individuelle Freiheit berücksichtigt, spricht universelle Themen an und lädt zur Reflexion ein.
- Die Figuren, insbesondere Max und sein Vater, sind komplex und überzeugend dargestellt, was die familiären Konflikte und die Last der Geschichte eindrucksvoll verdeutlicht.