StartBücher & ComicsRatgeberDie wahre Geschichte von Sigmund Freud

Die wahre Geschichte von Sigmund Freud

Die wahre Geschichte von Sigmund Freud ist ein Buch aus dem Psychosozial-Verlag und erschien am 1. September 2024. 

Möchten Sie das digitale Leseerlebnis für sich entdecken? Dann empfehle ich Ihnen diesen eReader als ausgezeichnete Wahl: eReader tolino epos 3.

Die wahre Geschichte von Sigmund Freud

Was Sie schon immer über Sigmund Freud wissen wollten, auch wenn es sich auf diese Weise vielleicht niemals zugetragen hat … Jung: »Sie wissen ja, wie weit ein Patient mit Selbstanalyse kommt, nämlich nicht aus der Neurose heraus – wie Sie!« Freud: »Sie sind unverschämt, Sie haben überhaupt keinen Respekt! Es ist unter uns Analytikern ausgemacht, dass keiner sich seines Stückes Neurose zu schämen braucht.« Susann Heenen-Wolff lässt die wichtigsten Protagonist*innen rund um Sigmund Freud lebendig werden. Mit ihm ringen seine ein Coming-out vermeidende Tochter Anna, sein so begabter wie unheimlicher Schüler Sándor Ferenczi, die »Dichterin der Psychoanalyse« Lou Andreas-Salomé und die vermeintlich frigide Prinzessin Marie Bonaparte in gemeinsamen Wiener Sitzungen um Ansichten und Wahrheiten. Nebenbei kommen sie auch auf Ferenczis depressive Analysandin Melanie Klein zu sprechen oder lassen C.G. Jungs finalen Disput mit Freud Revue passieren. Jahre später und gegen jede Wahrscheinlichkeit treffen sich schließlich Anna Freud und Jacques Lacan auf einem Kongress in London.

Die Erzählung „Die wahre Geschichte von Sigmund Freud“, geschrieben von Susann Heenen-Wolff und veröffentlicht vom Psychosozial-Verlag, entführt den Leser in die Welt des Begründers der Psychoanalyse und lässt die wichtigsten Persönlichkeiten aus seinem Leben in einer fiktiven Konversation lebendig werden. Bereits der Titel des Buches deutet darauf hin, dass es nicht um eine trockene Biografie geht, sondern um eine literarische Auseinandersetzung mit Freud und seinem Umfeld. Als Leser wurde ich sofort in die Gespräche hineinversetzt, die Freud mit seiner Tochter Anna Freud, seinem Schüler Sándor Ferenczi und weiteren Schlüsselfiguren der Psychoanalyse, wie Lou Andreas-Salomé, führt. Diese Dialoge spielen im berühmten Sprechzimmer in der Berggasse 19 in Wien, das Freud nicht nur als Arbeitsraum, sondern als Ort der Reflexion und des Austauschs diente.

Was dieses Buch besonders macht, ist die Herangehensweise der Autorin, die in ihrer Funktion als Psychoanalytikerin selbst tief in die Materie eintauchen kann. Susann Heenen-Wolff, Professorin für klinische Psychologie und Psychoanalyse, verwebt nicht nur die wissenschaftlichen Theorien Freuds mit persönlichen Geschichten, sondern gibt auch Einblicke in die Beziehung zwischen Freud und seinen Weggefährten. Man spürt, dass sie sich intensiv mit der historischen Forschung auseinandergesetzt hat, gleichzeitig aber die literarische Freiheit nutzt, um Figuren und Themen lebendig zu machen. In ihren Schilderungen wird deutlich, wie Freud nicht nur von seinen eigenen Gedanken, sondern auch von den Menschen um ihn herum beeinflusst wurde. Die Interaktionen zwischen Freud und Anna Freud, die stets im Schatten ihres Vaters stand, sind besonders bewegend. Anna, die spätere Begründerin der Kinderanalyse, ringt in dieser fiktiven Erzählung mit ihrem Wunsch nach Unabhängigkeit und der Anerkennung ihres Vaters. Es ist ein komplexes Verhältnis von Bewunderung und Rivalität, das die Autorin einfühlsam darstellt. Gleichzeitig thematisiert das Buch ihre Homosexualität, die im historischen Kontext verschwiegen und tabuisiert wurde. Dieses Thema wird subtil eingeflochten und verdeutlicht die Spannungen zwischen Freuds Theorien und den persönlichen Lebensrealitäten seiner Familie.

Ein weiterer faszinierender Aspekt des Buches ist die Beziehung zwischen Freud und Sándor Ferenczi, einem seiner talentiertesten Schüler, der jedoch zunehmend eigene Wege ging und letztlich in einem Disput mit Freud endete. Die Gespräche zwischen den beiden reflektieren den Kampf um wissenschaftliche Deutungshoheit und persönliche Differenzen, die bis in die psychoanalytischen Theorien hineinwirkten. Ferenczis spätere kritische Haltung gegenüber Freuds Methoden und seine intensive Beschäftigung mit Themen wie Traumdeutung und Übertragung sind wesentliche Elemente in der Darstellung ihrer Beziehung. Interessant ist auch, dass Lou Andreas-Salomé, eine der faszinierendsten Frauen der Psychoanalyse und eine enge Vertraute Freuds, in diesem Werk eine zentrale Rolle spielt. Ihre intellektuelle Unabhängigkeit und ihre philosophischen Einsichten bereichern die Gespräche. Sie fungiert beinahe als Vermittlerin zwischen Freud und den anderen Charakteren, wobei ihre eigene Ambivalenz gegenüber Freuds Theorien spürbar bleibt. Ihr scharfer Verstand und ihre Fähigkeit, sowohl zu bewundern als auch kritisch zu hinterfragen, machen sie zu einer der stärksten Figuren des Buches.

Das Buch nimmt den Leser nicht nur mit auf eine historische Reise, sondern regt auch zum Nachdenken über die Entwicklung der Psychoanalyse und die Rolle der Machtverhältnisse in wissenschaftlichen und persönlichen Beziehungen an. Neben den intensiven Dialogen gibt es immer wieder philosophische Reflexionen über das Verhältnis von Wahrheit, Macht und Interpretation, die besonders dann spannend sind, wenn man die wissenschaftlichen Schriften Freuds kennt. Für mich war „Die wahre Geschichte von Sigmund Freud“ eine tiefgründige und zugleich unterhaltsame Lektüre. Die Mischung aus historischer Faktentreue und literarischer Freiheit macht es zu einem einzigartigen Werk. Wer sich für die Geschichte der Psychoanalyse, aber auch für die Dynamiken zwischen den führenden Persönlichkeiten dieser Zeit interessiert, wird in diesem Buch eine wahre Fundgrube an Einblicken finden. Dabei bleibt es jedoch zugänglich und verständlich, auch wenn man kein tieferes Vorwissen über Freud und sein Umfeld hat.

Insgesamt ist dieses Buch eine lohnende Lektüre für alle, die sich für das Leben und Werk von Sigmund Freud interessieren, aber auch für diejenigen, die in einem literarischen Rahmen mehr über die Entwicklung der Psychoanalyse erfahren möchten.

Die wahre Geschichte von Sigmund Freud

8.3

Aufmachung

8.5/10

Umfang

7.8/10

Schreibstil

8.5/10

Thema

8.6/10

Aufbau

8.5/10

Lesbarkeit

8.5/10

Illustrationen

8.0/10

Umsetzung

8.3/10

Hat mir besonders gefallen

  • Das Buch bringt zentrale Persönlichkeiten der Psychoanalyse, wie Freud, Anna Freud und Lou Andreas-Salomé, in fiktiven Dialogen lebendig zur Geltung.
  • Die komplexen Verhältnisse zwischen Freud und seinen Schülern, insbesondere Sándor Ferenczi, werden detailliert und einfühlsam geschildert.
  • Das Buch verknüpft wissenschaftliche Fakten mit persönlichen und emotionalen Themen, wie Anna Freuds Homosexualität und die beruflichen Konflikte Freuds.
  • Trotz tiefgreifender psychoanalytischer Themen bleibt das Buch für Laien verständlich und lesbar.
  • Die Autorin nutzt ihre künstlerische Freiheit, um historische Begebenheiten fiktiv, aber glaubhaft darzustellen.
Mediennerd
Mediennerd
Medienproduzent/Blogger, Katzenliebhaber und 1. FC Köln Fan im hohen Norden. Mit meiner Berufs- und Lebenserfahrung teste und vermarkte ich seit 2009 Produkte aller Art. Sie erhalten immer ein ehrliches Feedback.
DIESES KÖNNTE DIR AUCH GEFALLEN

AKTUELLE GEWINNSPIELE