Das Monster und andere Geschichten ist ein Buch aus dem Pendragon Verlag und erschien am 14. September 2022.

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Das Monster und andere Geschichten
1898 schrieb Stephen Crane eine Erzählung, die viele für seine beste halten: Das Monster, die bedrückende Beschreibung eines dramatischen Unfalls. Als im Hause Dr. Trescotts ein Feuer ausbricht, wird der schwarze Stallknecht Henry Johnson bei der Rettung des kleinen Jimmie zum Helden. Er selbst allerdings wird durch die Flammen schwer entstellt. Johnson ist plötzlich für alle nur noch ein „Monster“. Er wird gemieden und ausgegrenzt. Auch Dr. Trescott, der aus Dankbarkeit zu ihm hält, gerät zunehmend unter Druck.
Der Band enthält weitere Geschichten, von denen die meisten erstmals auf Deutsch erscheinen. So erfährt man in Ein Hirngespinst in Rot und Weiß, wie ein Vater die Erinnerungen seiner Kinder manipuliert, weil er etwas zu verbergen hat. Und in den Erzählungen über den kleinen Gernegroß Jimmie Trescott beweist Crane sein großartiges Talent für Humor.
Stephen Crane, ein herausragender amerikanischer Schriftsteller des späten 19. Jahrhunderts, hat in seinem kurzen Leben ein beeindruckendes Werk hinterlassen. Geboren 1871 in Newark und bereits 1900 mit nur 28 Jahren an Tuberkulose gestorben, prägte er die Literatur seiner Zeit maßgeblich mit. Sein literarisches Schaffen umfasst nicht nur Romane, sondern auch zahlreiche Erzählungen, die das Leben seiner Zeitgenossen mit großer Authentizität und feiner Beobachtungsgabe einfangen. Die Neuübersetzung des Erzählbandes „Das Monster und andere Geschichten“ im Pendragon Verlag bietet nun eine faszinierende Auswahl dieser Werke, die bisher teilweise noch nie auf Deutsch erschienen sind. Der Band enthält insgesamt zwölf Erzählungen, von denen die titelgebende Geschichte „Das Monster“ zweifellos im Zentrum steht. Diese Geschichte erzählt von Henry Johnson, einem afroamerikanischen Stallknecht, der bei dem Versuch, den Sohn seines Arbeitgebers Dr. Trescott aus einem brennenden Haus zu retten, schwerste Verletzungen erleidet. Seine Gesichtsverbrennungen sind so entstellend, dass er von den Mitmenschen fortan nur noch als „Monster“ wahrgenommen wird. Der einst als Held gefeierte Henry wird zunehmend ausgegrenzt und entfremdet, während auch Dr. Trescott und seine Familie unter dem sozialen Druck leiden, weil sie dem Verstümmelten weiterhin helfen. Crane enthüllt hier mit scharfsinniger Präzision die Bigotterie und Doppelmoral einer Gesellschaft, die vorgibt, Helden zu verehren, aber letztlich nur das Normale und Unversehrte akzeptiert.
Neben „Das Monster“ umfasst der Band eine Reihe weiterer Erzählungen, die verschiedene Aspekte der amerikanischen Gesellschaft und ihrer Herausforderungen zur Jahrhundertwende beleuchten. Besonders beeindruckend ist Cranes Fähigkeit, mit wenigen Sätzen komplexe Charaktere und Milieus lebendig zu zeichnen. Seine Geschichten sind von einer bestechenden Klarheit und gleichzeitig von einer melancholischen Tiefe, die den Leser noch lange nach dem Lesen beschäftigt. In Geschichten wie „Ein Hirngespinst in Rot und Weiß“ zeigt er beispielsweise, wie Familiengeheimnisse und die Manipulation von Erinnerungen das Leben von Kindern beeinflussen können. Diese präzisen Milieustudien ziehen sich durch alle Geschichten und machen sie zu mehr als bloßen Zeitzeugnissen – sie sind literarische Meisterwerke. Cranes Sprache ist schlicht und direkt, was seinem Stil eine zeitlose Qualität verleiht. Auch wenn seine Themen aus dem späten 19. Jahrhundert stammen, berühren sie universelle menschliche Erfahrungen wie Ausgrenzung, Vorurteile und die Suche nach Anerkennung. Besonders auffällig ist dabei sein Umgang mit den sozialen und rassischen Spannungen seiner Zeit. So zeigt er eindrucksvoll das tiefe soziale Gefälle zwischen Weißen und Schwarzen, das nicht nur durch wirtschaftliche Unterschiede, sondern auch durch tief verwurzelte Vorurteile geprägt ist. Die literarische Darstellung dieser Themen durch Crane ist sowohl kritisch als auch empathisch, was seinen Geschichten eine bemerkenswerte Tiefe verleiht.
Interessant ist zudem die thematische Vielfalt in Cranes Werk. Während „Das Monster“ eine düstere, fast tragische Geschichte erzählt, finden sich im selben Band auch Erzählungen mit humorvollen und leichten Tönen, insbesondere in den Geschichten, die sich um das Leben des kleinen Jimmie Trescott drehen. Diese Vielseitigkeit macht Crane zu einem der faszinierendsten Autoren seiner Zeit, dessen Werke heute dank der Neuübersetzungen im Pendragon Verlag wieder entdeckt werden können. Für Leser, die an authentischen literarischen Darstellungen des amerikanischen Lebens im späten 19. Jahrhundert interessiert sind, ist dieser Band eine wahre Schatzkiste. Cranes Erzählungen sind nicht nur unterhaltsam, sondern bieten auch einen tiefen Einblick in die sozialen und moralischen Herausforderungen seiner Epoche. Besonders „Das Monster“ hebt sich dabei als ein literarisches Kleinod hervor, das in seiner Vielschichtigkeit und Aktualität beeindruckt.
Insgesamt ist „Das Monster und andere Geschichten“ ein empfehlenswerter Band für alle, die literarische Klassiker schätzen und bereit sind, sich auf die oft ungeschönte Realität der amerikanischen Gesellschaft zur Zeit der Jahrhundertwende einzulassen. Die Neuübersetzung von Lucien Deprijck trägt dabei entscheidend dazu bei, Cranes präzise und bildhafte Sprache auch für ein heutiges deutsches Publikum zugänglich zu machen. Ein Muss für jeden, der sich für amerikanische Literatur interessiert oder einfach nur großartige Erzählkunst genießen möchte.
Das Monster und andere Geschichten
Hat mir besonders gefallen
- Der Erzählband bietet eine breite Palette an Themen, von düsteren Milieustudien bis hin zu humorvollen Kindheitserzählungen. Diese Vielfalt macht das Buch besonders interessant und abwechslungsreich.
- Crane beleuchtet scharfsinnig die gesellschaftlichen Spannungen und Vorurteile seiner Zeit, insbesondere im Hinblick auf Rassismus und soziale Ausgrenzung. Diese Reflexionen verleihen den Geschichten eine bemerkenswerte Tiefe.
- Die Erzählungen bieten einen lebendigen Einblick in das Amerika des späten 19. Jahrhunderts, wobei die präzisen Milieustudien die zeitgenössische Gesellschaft ungeschönt widerspiegeln.
- Cranes klare und knappe Sprache macht seine Geschichten zeitlos und leicht zugänglich, während sie gleichzeitig emotionale und atmosphärische Tiefe bewahrt.

