Artemisia ist ein Buch aus dem Unionsverlag und erschien am 9. September 2024.

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Artemisia
Das unverkennbare Haupt mit vier Augen durchstreift die Straßen Roms am Vorabend des 17. Jahrhunderts: Der Maler Orazio Gentileschi nimmt auf seinen Schultern seine Tochter Artemisia überallhin mit. Sie klettert mit ihm über Baustellengerüste, wohnt an seiner Seite Hinrichtungen bei und zerstößt Farbpigmente in seinem Atelier. Artemisia ist sehr begabt und nicht nur Orazios liebstes Modell, sondern auch seine beste Schülerin. Doch als Artemisia siebzehn ist, vergewaltigt sie ein Freund ihres Vaters. Ein Einschnitt, der sie und ihre Kunst ein Leben lang begleitet. Artemisia erhebt Anklage und vertritt ihren Fall, der ganz Rom fesselt, vor Gericht. Alexandra Lapierre entwirft ein Zeitbild und zeichnet den Weg der großen Barockkünstlerin von Rom nach Florenz, Venedig, London und Neapel.
„Artemisia“ von Alexandra Lapierre, erschienen im Unionsverlag, ist ein fesselnder historischer Roman, der die dramatische Lebensgeschichte einer der bedeutendsten Malerinnen der Barockzeit, Artemisia Gentileschi, nachzeichnet. Diese Romanbiografie greift nicht nur auf sorgfältig recherchierte historische Fakten zurück, sondern verwebt diese meisterhaft mit fiktiven Elementen, um das Leben dieser außergewöhnlichen Frau in einem von Männern dominierten Kunstbetrieb zu beleuchten. Schon auf den ersten Seiten tauche ich in die Welt des 17. Jahrhunderts ein, in der Artemisia als Tochter des bekannten Malers Orazio Gentileschi aufwächst. Ihr Leben ist von Beginn an von Kunst durchdrungen. Sie begleitet ihren Vater auf Baustellen, hilft ihm im Atelier und entwickelt früh ein ausgeprägtes künstlerisches Talent. Doch ihre Kunst und ihr Leben sind untrennbar mit einem dunklen Kapitel verknüpft: Mit siebzehn Jahren wird Artemisia von Agostino Tassi, einem Freund ihres Vaters, vergewaltigt. Dieser Vorfall und der darauffolgende Gerichtsprozess sind zentrale Themen des Romans. Lapierre beschreibt mit einer einfühlsamen, aber dennoch eindringlichen Sprache, wie diese traumatischen Erlebnisse Artemisia nicht nur als Frau, sondern auch als Künstlerin prägen.
Die Autorin Alexandra Lapierre, bekannt für ihre umfassenden Recherchen und Biografien historischer Figuren, schafft es, die historische Figur Artemisia mit einer modernen Perspektive zu versehen. Lapierre, selbst Tochter eines Historikers und einer Anthropologin, hat sich mit ihrem Werk nicht nur als fähige Erzählerin, sondern auch als Expertin der Kunstgeschichte des 17. Jahrhunderts etabliert. Ihr Studium an der renommierten Sorbonne und der University of Southern California spiegelt sich in der Tiefgründigkeit ihrer Romane wider. Sie vermittelt komplexe historische Kontexte auf eine Weise, die für mich als Leser greifbar und nachvollziehbar ist. Die Erzählweise Lapierres hat mich besonders durch die detaillierte Schilderung der inneren Konflikte Artemisias beeindruckt. Der Roman zeigt nicht nur ihre Kämpfe als Frau in einer patriarchalen Gesellschaft, sondern auch ihre immense Leidenschaft für die Malerei. Die Tatsache, dass sie trotz aller Widrigkeiten zu einer der ersten Frauen avancierte, die in der Kunstwelt von Rom, Florenz und Venedig Anerkennung fand, ist inspirierend. Lapierre schildert nicht nur die großen Momente ihres Lebens, sondern auch die leisen, persönlichen Kämpfe – der Umgang mit Scham, Wut und Selbstfindung.
Besonders eindrucksvoll ist Lapierres Fähigkeit, die Barockzeit lebendig werden zu lassen. Die Beschreibungen der Städte Rom, Florenz, Venedig und London wirken so authentisch, dass ich förmlich den Pinselstrich auf der Leinwand spüre, den Artemisia setzt. Es ist eine Zeit voller politischer und religiöser Spannungen, und Lapierre versteht es, diese Atmosphäre in den Roman einfließen zu lassen, ohne dass sie erdrückend wirkt. Die detaillierten Beschreibungen der Kunstwerke, der Farben und Techniken tragen dazu bei, dass die Leser sich in die Kunstwelt des 17. Jahrhunderts versetzt fühlen. Die Charakterzeichnung Artemisias ist vielschichtig und berührend. Sie ist eine Frau voller Widersprüche: verletzlich und gleichzeitig unerschütterlich stark, verunsichert und doch von einer tiefen Leidenschaft für ihre Kunst angetrieben. Diese Ambivalenz ist es, die den Roman so faszinierend macht. Lapierre schafft es, Artemisia als reale, greifbare Person darzustellen, deren Kunst und Leben untrennbar miteinander verbunden sind.
Besonders in der Darstellung des Gerichtsprozesses, bei dem Artemisia gegen ihren Vergewaltiger aussagt, wird deutlich, wie Lapierre historische Dokumente und fiktive Erzählkunst meisterhaft miteinander kombiniert. Der Prozess, der ganz Rom in Aufruhr versetzte, wird in all seiner Brutalität und emotionalen Tiefe geschildert. Artemisia wird hier nicht nur zur Künstlerin, sondern zur Vorkämpferin für ihre Rechte als Frau in einer von Männern dominierten Gesellschaft. Ein weiterer bemerkenswerter Aspekt des Romans ist die Auseinandersetzung mit der Beziehung zwischen Artemisia und ihrem Vater Orazio. Die enge, aber komplizierte Beziehung zwischen den beiden prägt nicht nur ihre künstlerische Laufbahn, sondern auch ihr emotionales Innenleben. Orazio ist für Artemisia sowohl Mentor als auch eine Quelle des Konflikts, da er ihr zunächst nicht beisteht, als sie gegen Tassi vor Gericht geht. Diese Ambivalenz in der Vater-Tochter-Beziehung verleiht dem Roman zusätzliche Tiefe.
Der Roman „Artemisia“ hat mich auf mehreren Ebenen bewegt. Lapierre hat es geschafft, die Kunst, das Leben und die Seele dieser bemerkenswerten Frau in einer Weise darzustellen, die tief unter die Haut geht. Die historischen Details, kombiniert mit einem intensiven Einblick in die Psyche einer Frau, die gegen alle Widrigkeiten für ihre Anerkennung kämpft, machen dieses Buch zu einem wahren Leseerlebnis. Alexandra Lapierre zeigt auf eindrucksvolle Weise, wie Artemisia Gentileschi als Frau und Künstlerin in einer Zeit, in der Frauen kaum Rechte hatten, gegen alle Widerstände erfolgreich war. Ihre Kunst ist ein Spiegel ihrer inneren Kämpfe, ihrer Wut, ihres Schmerzes, aber auch ihrer Stärke. Gerade dieses Zusammenspiel von Biografie und künstlerischem Ausdruck macht „Artemisia“ zu einem unverzichtbaren Werk, das nicht nur kunsthistorisch Interessierte anspricht, sondern jeden, der sich für starke Frauenfiguren und fesselnde historische Romane begeistert. Insgesamt hinterlässt „Artemisia“ einen tiefen Eindruck bei mir. Lapierre zeigt in ihrem Roman, wie Geschichte, Kunst und das persönliche Schicksal einer außergewöhnlichen Frau miteinander verflochten sind. Artemisia Gentileschi hat ihren Platz in der Kunstgeschichte als bedeutende Barockmalerin, aber auch als Symbol für den Kampf gegen Ungerechtigkeit mehr als verdient. Alexandra Lapierre hat dieses Leben in einem bewegenden und mitreißenden Roman festgehalten, der mich lange nach dem Lesen noch beschäftigt.
Artemisia
Hat mir besonders gefallen
- Artemisia Gentileschi wird als kämpferische und bedeutende Barockkünstlerin porträtiert, deren Leben und Kunst sich trotz vieler Widrigkeiten durchsetzen.
- Alexandra Lapierre verwebt gekonnt Fakten mit Fiktion und schafft es, das Italien des 17. Jahrhunderts lebendig werden zu lassen.
- Die Protagonistin Artemisia wird als vielschichtige, starke Frau mit inneren Konflikten dargestellt, was dem Roman emotionale Tiefe verleiht.
- Die detaillierten Beschreibungen von Kunsttechniken und -werken sowie der Städte, in denen Artemisia lebte und arbeitete, verstärken das immersive Leseerlebnis.
- Der Roman thematisiert, wie Artemisia in einer patriarchalischen Gesellschaft für ihre Rechte und ihre künstlerische Anerkennung kämpft, was besonders inspirierend ist.

