Kathy Rain 2: Soothsayer (Raw Fury)
Mai 2025
Point-&-Click-Thriller – Nimm dich mit Kathy Rain ihrem zweiten Fall in einem brandneuen Großstadtabenteuer an, das ebenso schonungslos wie emotional ist. Für Neulinge und Fans der Serie gleichermaßen geeignet!
Kathy Rain 2 ist ein überzeugender Nachfolger.
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Entwickler: Clifftop Games
Genre: Adventure
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85%
Spielspaß 72%
Wiederspielbarkeit 83%
Langzeitmotivation 85%
Grafik 85%
Umsetzung |
Kathy Rain 2: Soothsayer ist ein überzeugender Nachfolger. |

Kathy Rain 2: Soothsayer
Nach dem Director’s Cut des ersten Teils war ich ehrlich gesagt skeptisch, was Kathy Rain: Soothsayer angeht. Teil 1 hatte mich zwar durch die klassische Point&Click-Mechanik, die tolle Pixelgrafik und die grundsätzliche Atmosphäre überzeugt – aber die Story ging mir damals irgendwann zu sehr in die okkulte Richtung. Ich fand es schade, weil so viel Potenzial da war, Kathy als glaubwürdige, starke Figur in einem realistischeren Mystery-Krimi zu verankern. Trotzdem war die Neugier auf Teil 2 groß – und ich wurde insgesamt positiv überrascht.
Späte Wendung ins Übernatürliche – diesmal wirkt’s besser
Was Soothsayer im Vergleich zum Vorgänger klüger macht: Es packt die übernatürlichen Elemente erst später aus. Anfangs fühlt sich das Spiel mehr wie ein klassischer Detektivfall an – du sammelst Hinweise, sprichst mit Menschen, suchst Orte auf, verbindest Puzzle-Stücke miteinander. Dieses Gefühl, langsam aber sicher einer Wahrheit näherzukommen, hat mich voll abgeholt. Erst als man emotional und erzählerisch tiefer drin ist, kippt es wieder in eine eher übernatürliche Richtung – aber das passiert subtiler und wirkt weniger gezwungen. Mir persönlich hätte eine vollständig realistische Fortsetzung besser gefallen, aber ich verstehe, dass die Entwickler bei ihrer Grundidee bleiben wollten. Und innerhalb dieser Welt haben sie es definitiv besser umgesetzt als noch im ersten Teil.
Kathy als Figur – ein starker Anker in einem ernsten Spiel
Kathy ist nach wie vor eine faszinierende Protagonistin. Zwischen harter Schale und verletzlichem Kern, Zynismus und echter Neugier, Trauer und Wut bewegt sie sich sehr glaubwürdig durch eine Welt, die sie mal abstößt, mal aufrüttelt, mal Hoffnung gibt. Was Soothsayer gut hinbekommt: Man spürt, dass Zeit vergangen ist. Kathy ist innerlich verändert, reifer vielleicht, aber gleichzeitig trägt sie noch vieles mit sich herum. Und genau dieses innere Ringen macht sie greifbar – gerade in einem Spiel, das sich ernsten Themen widmet.
Schwierige Themen mit Respekt behandelt
Eine der größten Stärken des Spiels ist für mich der Umgang mit schwierigen, oft tabuisierten Themen – insbesondere Suizid. Das ist ein Thema, das leicht klischeehaft, überdramatisiert oder falsch dargestellt werden kann. Soothsayer schafft es aber, dies mit einem Maß an Feingefühl einzubinden, das man selten sieht – nicht als reines Storyelement, sondern als etwas, das mit dem emotionalen Ton des Spiels verwoben ist. Hier merkt man, dass sich das Team Gedanken gemacht hat, wie man solche Inhalte erzählen kann, ohne sie zu trivialisieren oder plump zu inszenieren.
Spielerisch straffer, weniger Umwege – mehr Fokus
Was mich beim ersten Teil teilweise genervt hat, war das ständige Hin- und Herfahren mit dem Motorrad. Zwar passte das irgendwie zur Atmosphäre, aber es fühlte sich oft wie künstliche Streckung an. In Soothsayer ist das deutlich besser gelöst: Die Reisen sind gezielter, kürzer, sinnvoller. Man merkt: Die Entwickler haben auf die Kritik reagiert, die offenbar nicht nur ich geäußert hatte. Dadurch wirkt das Spiel insgesamt flüssiger, der Spielfluss wird seltener unterbrochen und man bleibt besser in der Geschichte drin.
Spielzeit und Pacing – endlich mal auf den Punkt
Ich habe etwa 6,5 bis 7 Stunden gebraucht – und das ist aus meiner Sicht genau richtig. Die Story wurde kompakt, aber nicht gehetzt erzählt. Nichts wirkte unnötig in die Länge gezogen, gleichzeitig blieb genug Raum für Atmosphäre, Charakterentwicklung und ruhige Momente. Die Zahl der Schauplätze ist dieses Mal größer, aber das Spiel bleibt trotzdem übersichtlich. Jeder Ort hat seinen Zweck, alles ist sinnvoll miteinander verknüpft, und auch die Rätsel fügen sich gut in die Geschichte ein – ohne zu überfordern oder aufgesetzt zu wirken.
Grafik und Präsentation – stilvoll und stimmungsvoll
Optisch bleibt Soothsayer seinem Stil treu: klassische 2D-Pixelgrafik, detailverliebt, stimmungsvoll. Für mich als Ü40-Spieler ist das pure Nostalgie, aber nicht nur das. Die Grafik ist nicht nur „retro um des Retro-Willens“, sondern einfach sehr gut gemacht. Jede Szene, jeder Hintergrund trägt zur Atmosphäre bei. Das Spiel zeigt, dass man mit einem klaren Stil und viel handwerklichem Feingefühl eine ganz eigene Welt schaffen kann – ohne Hochglanz oder fotorealistische Assets.
Der Soundtrack ist unauffällig, aber passend – genauso wie schon beim ersten Teil. Auch die Sprachausgabe ist wieder hochwertig, und wer mag, kann das Ganze mit deutschen Untertiteln spielen. Technisch gibt’s also ebenfalls nichts zu meckern.
Fazit: Ein starker zweiter Teil – mit Luft für mehr
Kathy Rain 2: Soothsayer ist ein überzeugender Nachfolger, der vieles besser macht als sein Vorgänger: Die Geschichte ist runder, ernster, nachvollziehbarer. Der okkulte Aspekt ist zwar wieder da, aber besser eingebunden. Spielerisch wurde entschlackt, das Pacing ist gelungen, die Spielzeit genau richtig. Die Themen sind mutiger, emotionaler, erwachsener – und werden mit dem nötigen Respekt behandelt.
Ich hätte mir zwar gewünscht, dass Kathy als Figur einen ganz neuen Fall bekommt, ganz ohne Übersinnliches. Aber selbst in dem erzählerischen Rahmen, den Soothsayer wählt, funktioniert das Spiel erstaunlich gut. Es bleibt spannend, glaubwürdig und emotional. Für Fans klassischer Adventures, für Mystery-Freunde, aber auch für Spieler, die Wert auf gute Figuren und Atmosphäre legen, ist das hier ein echter Geheimtipp.
Ich hoffe, es geht weiter – vielleicht mit neuen Fällen, vielleicht mit einem anderen erzählerischen Fokus. Aber Kathy Rain 2 zeigt: Clifftop Games hat verstanden, worauf es in diesem Genre ankommt.