Alle meine Namen ist ein Buch aus dem Edition Atelier Verlag und erschien am 9. September 2024.
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Alle meine Namen
»Schaffst du das?«, fragt Peter. »Natürlich«, sagt Johanna, »ich kann alles, was ein Mann auch kann.« Und das beweist sie schon ihr ganzes Leben lang. Nach diesem Dialog wird Johanna, die gerade ein Kind bekommen hat und ihren an Polio erkrankten Mann Peter pflegt, ein Haus für die Familie bauen. Da ist sie gerade Anfang zwanzig und hat bereits viel erlebt: den Tod des geliebten Vaters und den Umzug aufs Land, den Krieg, Heimweh und Liebeskummer als Dienstmädchen in der Schweiz und die Ausbildung zur Kinderkrankenschwester. Nie hat Johanna den Mut und die Kraft verloren, sich den gesellschaftlichen Konventionen entgegenzusetzen und ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Das tut sie auch noch als alte Frau, deren mitreißende Geschichte noch lange nicht vorbei ist.
Als ich „Alle meine Namen“ von Andreas Jungwirth aufschlug, wurde ich sofort in die Welt von Johanna hineingezogen, einer Frau, die ihr Leben lang gegen gesellschaftliche Erwartungen ankämpfen musste. Der Roman, veröffentlicht im Edition Atelier Verlag, erzählt Johannas Geschichte – von ihrer Jugend bis ins hohe Alter – und zeichnet ein eindrucksvolles Bild von Durchhaltevermögen und Selbstbestimmung. Johanna, die Hauptfigur, stellt bereits früh im Buch fest, dass sie in einer von Männern dominierten Welt lebt. Ein zentraler Moment im Roman ist der Dialog zwischen ihr und ihrem Mann Peter, der an Polio erkrankt ist. Auf seine Frage, ob sie es schaffen könne, alleine ein Haus zu bauen, antwortet Johanna mit einer schlichten Selbstverständlichkeit: „Natürlich. Ich kann alles, was ein Mann auch kann.“ Diese Aussage ist nicht nur eine Momentaufnahme, sondern ein Leitmotiv ihres Lebens.
Besonders faszinierend fand ich Johannas Entwicklung durch verschiedene Lebensphasen. Bereits in jungen Jahren verliert sie ihren Vater, zieht aufs Land und muss sich später während ihrer Zeit als Dienstmädchen in der Schweiz gegen die Härten des Lebens behaupten. Ihre Ausbildung zur Kinderkrankenschwester und die damit verbundene Herausforderung, ein Kind großzuziehen, während sie gleichzeitig ihren kranken Mann pflegt, verdeutlichen ihren ungebrochenen Willen, stets die Kontrolle über ihr eigenes Leben zu behalten. Diese Aspekte geben der Geschichte eine große emotionale Tiefe. Jungwirth schreibt in einer klaren, doch poetischen Sprache, die mir das Gefühl gab, nicht nur Johanna als Person zu verstehen, sondern auch die Zeit, in der sie lebte. Der Autor zeichnet das Porträt einer Frau, die sich nicht durch gesellschaftliche Konventionen einschränken lässt. Selbst im hohen Alter kämpft sie um Selbstbestimmung und Freiheit – ein Thema, das sich wie ein roter Faden durch das Buch zieht.
Das Buch wechselt zwischen verschiedenen Lebensabschnitten Johannas und gibt uns so nicht nur Einblick in die Herausforderungen ihrer Jugend, sondern auch in die Entscheidungen, die sie im Alter treffen muss. Diese narrative Struktur fand ich besonders fesselnd, da sie es ermöglicht, ein vollständiges Bild von Johanna zu erhalten – von der jungen, mutigen Frau, die ihren eigenen Weg geht, bis hin zur alten Frau, die immer noch an ihren Idealen festhält. Was mich besonders beeindruckte, war die leise, aber kraftvolle Art, mit der Jungwirth Feminismus in den Roman einwebt. Johanna ist nicht die klassische Rebellin, die lautstark gegen Ungerechtigkeiten protestiert. Stattdessen geht sie ihren Weg leise, aber entschlossen, und trotzt auf diese Weise den Geschlechterrollen ihrer Zeit. Jungwirth zeigt, dass wahre Stärke oft in den alltäglichen Kämpfen liegt – in den kleinen Momenten, in denen man sich entscheidet, nicht aufzugeben, sondern weiterzugehen.
Andreas Jungwirth, der schon mit Werken wie „Wir haben keinen Kontakt mehr“ und „Im Atlas“ auf sich aufmerksam machte, beweist mit „Alle meine Namen“ erneut sein Talent, tiefgründige und vielschichtige Charaktere zu erschaffen. Jungwirths Stil ist ruhig und dennoch eindringlich, er nimmt sich Zeit, Johannas Innenleben und ihre Beziehungen zu den Menschen um sie herum zu erkunden. Diese intensive Charakterarbeit macht das Buch zu einer lohnenden Lektüre. Für Leser, die historische Romane mit starkem Fokus auf individuelle Schicksale und Emanzipation schätzen, ist „Alle meine Namen“ eine klare Empfehlung. Jungwirth schafft es, eine Geschichte zu erzählen, die nicht nur zeitgeschichtliche Relevanz hat, sondern auch universelle Themen wie Freiheit, Selbstbestimmung und den Mut, den eigenen Weg zu gehen, anspricht. Insgesamt hat mich „Alle meine Namen“ tief berührt. Es ist ein Buch, das von einer Frau erzählt, die sich trotz aller Widrigkeiten niemals unterkriegen lässt. Johannas Geschichte zeigt, dass Selbstbestimmung nicht immer laut und offensichtlich sein muss – manchmal reicht es, still und fest den eigenen Weg zu gehen. Andreas Jungwirth hat mit diesem Buch ein beeindruckendes Werk geschaffen, das zum Nachdenken anregt und lange nachklingt.
Alle meine Namen
Hat mir besonders gefallen
- Die Hauptfigur Johanna ist facettenreich und entwickelt sich durch verschiedene Lebensabschnitte.
- Johanna widersetzt sich den gesellschaftlichen Normen auf leise, aber kraftvolle Weise.
- Andreas Jungwirths klare und dennoch eindringliche Sprache verstärkt die emotionale Tiefe.
- Die Wechsel zwischen verschiedenen Lebensphasen sorgen für Dynamik und Spannung.
- Der Roman behandelt relevante Themen wie Selbstbestimmung und Freiheit.