Worte wie Mandelblüte (Otto Müller Verlag)
September 2024
Worte wie Mandelblüte von Sophia Lunra Schnack
Sophia Lunra Schnack hat mit Worte wie Mandelblüte einen außergewöhnlichen Erzählband geschaffen, der sich auf beeindruckende Weise mit dem Thema Abschied auseinandersetzt. Bereits in den ersten Zeilen wird der Leser in eine poetische Welt eingeführt, in der Sprache, Sinn und Raum auf faszinierende Weise verschmelzen. In elf Kurzgeschichten erkundet die Autorin verschiedene Facetten des Abschieds und lässt dabei sowohl Prosa als auch Lyrik ineinander fließen. Dabei wird der Abschied nicht nur als Verlust dargestellt, sondern vielmehr als ein Prozess der Wandlung – von einer Lebensform in die nächste, von einem Zustand in einen anderen. Diese Oszillation zwischen Veränderung und Beständigkeit prägt das gesamte Werk.
Eine Erzählung über den Abschied in seinen vielen Formen
Das Hauptthema, das sich wie ein roter Faden durch die Erzählungen zieht, ist der Abschied. Schnack beleuchtet ihn aus verschiedenen Perspektiven: Abschiede von geliebten Menschen, Abschiede von Orten und sogar von früheren Versionen des eigenen Selbst. Dabei geht es nicht nur um den physischen Akt des Abschieds, sondern auch um die subtilen, oft schmerzhaften Übergänge, die uns in neue Lebensabschnitte führen. So wie eine Mandelblüte im Frühling ihre Blüten öffnet, nur um sie später wieder loszulassen, so beschreibt die Autorin das Loslassen als natürlichen Teil des Lebenszyklus.
Ihre Sprache ist dabei tief poetisch und dennoch klar strukturiert. In den Erzählungen wird immer wieder die Frage aufgeworfen, was bleibt, wenn der Abschied vollzogen ist – bleibt ein Wort, ein Blick, eine Geste? Schnack zeigt auf eindrucksvolle Weise, dass der Abschied nie endgültig ist, sondern stets eine Form der Transformation darstellt.
Zwischen Prosa und Lyrik: Der unverwechselbare Stil der Autorin
Sophia Lunra Schnack versteht es meisterhaft, zwischen den literarischen Gattungen zu wechseln. Schon in ihrem Debütroman feuchtes holz hat sie diese Grenzgänge zwischen Prosa und Lyrik erprobt, und auch in Worte wie Mandelblüte brilliert sie mit dieser Fähigkeit. Ihre Texte wirken fast musikalisch, als ob sie sich dem Leser wie eine Melodie aufdrängen würden. Sie schöpft aus einer Sprache, die zwischen den Welten von Süß- und Salzwasser, von Mensch und Meereswesen, von vergangenen und zukünftigen Räumen schwebt. Der ständige Sprachwandel, der die Texte prägt, sorgt dafür, dass der Leser nie an einem festen Punkt verharrt, sondern sich ständig in Bewegung befindet.
Eine der Stärken des Buches ist die atmosphärische Dichte, die durch Schnacks präzise Sprachwahl entsteht. Die Sätze sind kurz, aber kraftvoll, die Bilder sind klar und poetisch. Ihre Geschichten sind durchzogen von einem Hauch von Melancholie, der jedoch nie ins Kitschige abgleitet. Vielmehr erzeugt sie ein Gefühl von Klarheit und Ruhe, das den Leser auch nach dem Zuklappen des Buches noch begleitet.
Sophia Lunra Schnack: Eine Meisterin der leisen Töne
Schnack, geboren in Wien, ist eine Meisterin der leisen Töne. Bereits mit ihrem Debütroman feuchtes holz machte sie auf sich aufmerksam und wurde für den Rauriser Literaturpreis 2024 nominiert. Auch ihr Erzählband Worte wie Mandelblüte zeugt von ihrer außergewöhnlichen Fähigkeit, große Themen in einer stillen, beinahe meditativen Sprache zu verarbeiten. Der Band zeigt deutlich, dass sie sich nicht nur auf eine literarische Form festlegen lässt, sondern experimentierfreudig die Grenzen zwischen Prosa, Lyrik und Tagebuch überschreitet. Dabei gelingt es ihr, stets eine tiefe emotionale Verbindung zu ihren Lesern aufzubauen, ohne dabei aufdringlich zu wirken.
Die elf Erzählungen in Worte wie Mandelblüte sind durchzogen von einer sprachlichen Leichtigkeit, die jedoch nie oberflächlich wirkt. Im Gegenteil: Jedes Wort scheint sorgsam ausgewählt, jede Metapher öffnet neue Bedeutungsräume. Es ist diese Kombination aus sprachlicher Präzision und emotionaler Tiefe, die Schnacks Werk so einzigartig macht.
Fazit: Eine literarische Entdeckung
Worte wie Mandelblüte ist ein Buch, das lange nachklingt. Die Geschichten sind still und doch kraftvoll, voller Poesie und Emotion. Schnack schafft es, große Themen wie Abschied, Wandel und Erinnerung auf eine subtile, aber eindringliche Weise zu behandeln. Wer Freude an literarischen Grenzgängen zwischen Prosa und Lyrik hat, wird in diesem Buch eine wahre Schatzkiste finden. Es ist eine Empfehlung für alle, die sich auf eine ruhige, aber intensive literarische Reise begeben möchten.