Transport Fever 2 (Good Shepherd Entertainment)
Dezember 2019
| Transport Fever 2 lässt das klassische Genre der Transportsimulation neu aufleben. Die Welt will erschlossen werden – mit Transportwegen zu Land, auf dem Wasser und in der Luft. Auf dass Fortschritt und Wohlstand Einzug halten mögen! | 
| Entwickler: Urban Games Genre: Simulation / Strategie | 
| 92% Spielspaß 94% Wiederspielbarkeit 93% Langzeitmotivation 84% Grafik 88% Umsetzung | 
| Wer den Nerv für strategisches Denken, Planung und das pure Glück der Effizienz hat, wird hier ein Zuhause finden. | 

Transport Fever 2 – Wenn Logistik zur Leidenschaft wird
Manchmal sind es die stillen Spiele, die dich am längsten fesseln. Keine Explosionen, keine Monster, keine epischen Kämpfe – nur Stahl, Straßen, Schienen und ein leises Summen von Motoren. Transport Fever 2 ist genau so ein Spiel. Es schreit nicht nach Aufmerksamkeit, es zieht dich langsam hinein. Und irgendwann merkst du: Du denkst in Linien, Knotenpunkten und Lieferketten, du siehst die Welt wie ein Spediteur, wie ein Ingenieur, wie jemand, der den Rhythmus von Maschinen versteht.
Ich habe unzählige Stunden in diesem Spiel verbracht – zuerst vorsichtig, mit einer kleinen Buslinie zwischen zwei Dörfern, später mit einem transkontinentalen Logistiknetz aus Flugzeugen, Hochgeschwindigkeitszügen und Frachtrouten über Ozeane. Und genau darin liegt die Magie von Transport Fever 2: Es lässt dich wachsen, langsam, stetig, mit jeder neuen Strecke, die du legst.

Der große Wurf: Eine Welt, die atmet
Das erste, was auffällt: Transport Fever 2 hat eine der lebendigsten Spielwelten, die man in einer Wirtschaftssimulation finden kann. Städte wachsen, reagieren auf deine Linien, Industrien entstehen oder sterben, je nachdem, wie gut du sie anbindest. Man sieht Lastwagen durch die Straßen tuckern, sieht Schiffe über die Flüsse gleiten und Flugzeuge majestätisch über die Karte kreisen.
Diese Welt wirkt nie statisch. Wenn du eine neue Bahnlinie eröffnest, spürst du sofort, wie sich der Verkehr verschiebt, wie Buslinien plötzlich mehr Passagiere aufnehmen, wie Industriebetriebe aufblühen. Es entsteht ein Kreislauf, der dich glauben lässt, dass du wirklich etwas in Bewegung setzt.
Das ist kein Zufall – Urban Games hat das Wirtschaftssystem klug und transparent gestaltet. Jede Lieferung, jeder Passagier folgt einer klaren Logik. Und wenn etwas nicht funktioniert, kannst du nachvollziehen, warum. Das klingt banal, ist aber in Simulationsspielen oft ein Problem: Hier hingegen versteht man das System, und genau das motiviert, es zu perfektionieren.
Der Flow: Vom Chaos zur Eleganz
Am Anfang herrscht Chaos. Du hast wenig Geld, alte Fahrzeuge, und jeder Kilometer Schiene kostet ein kleines Vermögen. Aber mit der Zeit lernst du, effizient zu planen. Du erkennst, wie sich Linien ergänzen, wie sich Staus vermeiden lassen, und wann sich ein Upgrade lohnt.
Besonders gelungen finde ich die Fahrzeugentwicklung: Vom klapprigen Dampfbus über propellergetriebene Flugzeuge bis hin zu modernen Elektrozügen – jede Epoche fühlt sich anders an. Der technische Fortschritt ist spürbar. Du erlebst förmlich, wie die Welt in Bewegung gerät.
Und dann kommt dieser Moment, den jeder Transport Fever-Spieler kennt: Du zoomst heraus, siehst dein gesamtes Verkehrsnetz – hunderte Linien, dutzende Städte, Züge, Schiffe, Flugzeuge – und plötzlich begreifst du, was du geschaffen hast. Kein Punktesystem, keine Kampagne kann dieses Gefühl ersetzen.
Kampagne und Sandbox: Zwei Wege zum Erfolg
Transport Fever 2 bietet sowohl eine umfangreiche Kampagne als auch einen freien Sandbox-Modus.
Die Kampagne ist charmant erzählt, fast schon lehrreich. Sie führt dich durch die Geschichte der Transportentwicklung – vom Wilden Westen über die Industrielle Revolution bis in die Moderne. Jede Mission bringt neue Herausforderungen: unwegsames Gelände, Ressourcenmangel, politische Auflagen. Dabei vermittelt das Spiel spielerisch Wissen über wirtschaftliche Zusammenhänge, technologische Innovationen und historische Entwicklungen.
Doch der wahre Zauber liegt im Sandbox-Modus. Hier kannst du bauen, tüfteln und experimentieren, ohne Einschränkungen. Du entscheidest, ob du ein minimalistisches Verkehrsnetz aufbaust oder eine gigantische globale Infrastruktur erschaffst. Die Freiheit ist enorm, und sie ist das, was mich persönlich am meisten begeistert hat.

Technik, Grafik und Sound
Grafisch ist Transport Fever 2 eine klare Steigerung gegenüber seinem Vorgänger. Die Landschaften wirken natürlich, Vegetation und Städte wachsen organisch, und die Fahrzeuge sind liebevoll modelliert. Besonders Züge und Flugzeuge sind ein Traum für Detailverliebte.
Natürlich – es ist kein Spiel, das mit modernen AAA-Titeln konkurrieren kann. Aber es hat seinen ganz eigenen Stil: sauber, realistisch, funktional. Die Lichteffekte, die sich im Wasser spiegeln, das Aufblitzen der Metallschienen bei Sonnenuntergang – es gibt viele kleine Momente, in denen das Spiel einfach wunderschön aussieht.
Der Sound trägt entscheidend zur Atmosphäre bei. Das leise Rattern von Waggons, das tiefe Dröhnen eines startenden Flugzeugs oder das rhythmische Stampfen einer Dampflok – all das schafft eine beruhigende, fast meditative Stimmung. Auch der Soundtrack passt perfekt: dezente, ruhige Melodien, die nie aufdringlich wirken und dich trotzdem in den Bann ziehen.
Kritikpunkte
So sehr ich Transport Fever 2 liebe – es ist nicht frei von Problemen.
Die Performance kann auf großen Karten einbrechen, besonders wenn das Netz sehr komplex wird. Auch die KI-gesteuerten Fahrzeuge verhalten sich manchmal seltsam: Busse stauen sich an Haltestellen, Züge blockieren Kreuzungen, Flugzeuge wählen fragwürdige Routen. Das ist nichts, was das Spiel unspielbar machen würde, aber es kostet Nerven.
Das Interface könnte intuitiver sein. Wer neu einsteigt, wird anfangs überfordert sein von Menüs, Icons und Einstellungen. Auch das Mikromanagement – etwa das manuelle Austauschen alter Fahrzeuge – kann auf Dauer mühsam werden. Urban Games hat zwar Verbesserungen über Updates nachgereicht, aber Perfektion ist noch nicht erreicht.

Langzeitmotivation und Wiederspielwert
Hier liegt die große Stärke des Spiels. Transport Fever 2 ist eines dieser Spiele, das man immer wieder starten kann. Es gibt kein festes Ziel, keine Grenze – nur den eigenen Ehrgeiz, das System noch effizienter, noch schöner, noch größer zu machen.
Ich ertappte mich oft dabei, abends „nur kurz“ eine Linie zu optimieren, und plötzlich war Mitternacht. Das Spiel hat diesen Sog, den man sonst nur von Titeln wie Cities: Skylines oder Factorio kennt: Du willst nicht aufhören, weil du weißt, dass du mit einem weiteren Handgriff alles noch besser machen kannst.
Fazit – Der Traum jedes Strategen auf Schienen
Transport Fever 2 ist keine Simulation für jeden. Es ist langsam, komplex, und manchmal ein wenig sperrig. Aber wer den Nerv für strategisches Denken, Planung und das pure Glück der Effizienz hat, wird hier ein Zuhause finden.
Ich habe selten ein Spiel erlebt, das so viel Ruhe und zugleich so viel Spannung in sich trägt. Jeder Zug, der pünktlich eintrifft, jede Linie, die endlich profitabel läuft, fühlt sich wie ein kleiner Sieg an. Es ist kein Spiel, das dich anbrüllt – es flüstert, es wächst, und es bleibt.
Für mich ist Transport Fever 2 das Paradebeispiel dafür, wie ein Entwicklerstudio versteht, was seine Fans wollen: Tiefe, Freiheit und den Stolz, etwas Bleibendes zu schaffen.

