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Ostflimmern: Wir Wende-Millennials

Ostflimmern (Mitteldeutscher Verlag)

September 2024

Plattenbauviertel, unkenntlich gemachte Denkmäler und Billig-Discounter: Die Fotografien von Philipp Baumgarten haben ein Dutzend namhafte Autorinnen und Autoren dazu inspiriert, ihre Erfahrungen in der Nachwendezeit zu beschreiben.
Autor: Philipp Baumgarten, Annekathrin Kohout
Genre: Kultur
80%
Umfang
85%
Schreibstil
90%
Thema
80%
Lesbarkeit
75%
Buchcover
85%
Illustrationen
Ostflimmern: Wir Wende-Millennials ist mehr als nur ein Rückblick auf die Nachwendezeit.


83%

Ostflimmern: Wir Wende-Millennials

Ostflimmern: Wir Wende-Millennials, herausgegeben von Philipp Baumgarten und Annekathrin Kohout, ist ein faszinierendes Buch, das die Erfahrungen der sogenannten „Wendekinder“ in den Fokus rückt. Diese Generation, die in den späten 1980er und 1990er Jahren in Ostdeutschland aufwuchs, steht symbolisch für eine besondere Transformationskompetenz – eine Fähigkeit, sich in einer Welt zwischen zwei kulturellen Polen zurechtzufinden: der DDR-Vergangenheit und der rasanten Digitalisierung sowie der wachsenden Dominanz der westlichen Popkultur.

Einblicke in die Welt der Wendekinder

Das Buch ist eine Anthologie, die Text- und Bildbeiträge von verschiedenen Autor versammelt, die allesamt diese Übergangszeit in der Nachwendezeit erlebt haben. Ihre persönlichen Erzählungen und Reflexionen fügen sich zu einem Gesamtbild zusammen, das die kollektive Identität einer Generation beleuchtet. Die Fotografien von Philipp Baumgarten, der 1985 in Zeitz geboren wurde und sich künstlerisch intensiv mit dem Wandel in Ostdeutschland beschäftigt, geben visuelle Ankerpunkte, an denen sich die Geschichten der Autor orientieren. Die Essays, Gedichte und Kurzgeschichten erfassen dabei die Spannungen zwischen dem Altbekannten und dem Neuen, zwischen Ost und West.

Einer der faszinierendsten Aspekte des Buches ist, wie die Autoren die komplexe Identität der Wende-Millennials reflektieren. Die Kindheitserfahrungen in den Plattenbauvierteln Ostdeutschlands, der Blick auf unkenntlich gemachte Denkmäler und die Begegnung mit Billig-Discountern prägen das kollektive Gedächtnis dieser Generation. Doch zugleich tauchen auch Aspekte der US-Popkultur auf, die mit der Wiedervereinigung in das Alltagsleben einzog und neue kulturelle Einflüsse mit sich brachte.

Autoren und Autorinnen: Vielfältige Stimmen einer Generation

Zu den namhaften Autoren des Buches zählen u.a. Marlen Hobrack, Paula Irmschler, Valerie Schönian und Lukas Rietzschel. Diese Persönlichkeiten, die bereits durch ihre Werke zur Gegenwartsliteratur oder journalistischen Arbeiten bekannt sind, verleihen Ostflimmern eine große Authentizität. Annekathrin Kohout, die 1989 in Weida geboren wurde, ist nicht nur Mitherausgeberin, sondern auch selbst eine Autorin, die sich in ihrer Arbeit mit sozialen Medien und Gegenwartskunst beschäftigt. Sie bietet einen kritischen Blick auf die Popkultur und digitale Bildkulturen, was sich auch in ihren Beiträgen zu diesem Buch widerspiegelt.

Philipp Baumgarten, der die Fotografien zum Buch beisteuert, hat sich als Künstler und Kulturmanager einen Namen gemacht. Seine Arbeiten beschäftigen sich oft mit den postsozialistischen Transformationen in den ländlichen Gebieten Ostdeutschlands, und er hat dafür 2023 den Georg-Christoph-Biller-Preis erhalten.

Ostalgie und Kritik am Westen

Was Ostflimmern von anderen Büchern über die Nachwendezeit abhebt, ist seine kritische, aber zugleich versöhnliche Herangehensweise an das Thema Ostdeutschland. Ja, es gibt Momente der Ostalgie – das wehmütige Zurückblicken auf die alte Heimat DDR –, doch das Buch verfällt nie in eine eindimensionale Verklärung. Stattdessen zeigt es, wie sich die Autor kritisch mit der westlichen Übermacht auseinandersetzen, ohne dabei in Verbitterung zu verfallen. Dieser differenzierte Blick zeichnet das Buch aus und macht es zu einem wertvollen Beitrag zur deutschen Erinnerungskultur.

Popkultur und hybride Identität

Ein weiteres zentrales Thema ist die Popkultur. In Ostflimmern geht es nicht nur um amerikanische Einflüsse, sondern auch um die Popkultur der DDR und anderer sozialistischer Staaten, die vor allem in der Kindheit der Wende-Millennials noch präsent war. Serien wie Hase und Wolf oder Märchenfilme aus der Sowjetunion sind für viele dieser Generation noch Teil ihrer Identität. Diese hybride kulturelle Erfahrung – geprägt von Ost und West – zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch und zeigt, wie diese Generation in einem Spannungsfeld von alten und neuen Einflüssen aufwuchs.

Fazit

Ostflimmern: Wir Wende-Millennials ist mehr als nur ein Rückblick auf die Nachwendezeit. Es ist eine vielstimmige Reflexion über eine Generation, die zwischen zwei Welten aufwuchs und sich immer wieder neu orientieren musste. Die Mischung aus persönlichen Erzählungen, visuellen Eindrücken und literarischen Essays macht das Buch zu einer tiefgründigen und vielschichtigen Lektüre. Für alle, die sich für die Geschichte Ostdeutschlands, aber auch für die gegenwärtige Identitätssuche interessieren, ist dieses Buch eine klare Empfehlung.

Durch seine kritische Reflexion der Vergangenheit und die gleichzeitige Einbeziehung aktueller Themen wie Popkultur und Digitalisierung, bietet es sowohl Wende-Millennials als auch jüngeren Generationen wertvolle Einblicke in die Frage: Wie prägt uns unsere Herkunft?

Mediennerd
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Medienproduzent/Blogger, Katzenliebhaber und 1. FC Köln Fan im hohen Norden. Mit meiner Berufs- und Lebenserfahrung teste und vermarkte ich seit 2009 Produkte aller Art. Sie erhalten immer ein ehrliches Feedback.
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