Motorlegenden – The Rolling Stones (Motorbuch)
September 2025
Wenn Musik und Motoren sich kreuzen
Schon bevor man eine Seite gelesen hat, spürt man bei diesem Buch: Hier geht es nicht allein um Autos und auch nicht allein um Rock’n’Roll – es geht um ein Leben am Rande der Kontrolle, um Stil, Rebellion, Vergnügen und Gefahr. Siegfried Tesche, bekannt für seine liebevollen Biografien rund um Filmautos und Rockstars, schlägt in „Motorlegenden – The Rolling Stones: Satisfaction – Die Auto-Biografie der Stones“ einen Bogen zwischen dem wilden Image der Band und ihrer Leidenschaft für schnelle, schöne, protzige oder einfach unverwechselbare Fahrzeuge.
Die Rolling Stones sind Legende. Mick Jagger, Keith Richards, Brian Jones, Charlie Watts, Ronnie Wood – Namen, die man sofort hört, sobald man „Band“ sagt. Tesche nimmt diese Figuren, setzt sie hinter Lenkräder, in Oldtimer, Luxuskarossen und ihre Wunschautos und zeigt, wie sehr Mobilität und Icon-Wert der Stones sich gegenseitig befruchten. Autos waren für sie mehr als Statussymbole: Sie waren Ausdruck von Rebellion, Freiheit, Exzess – genauso wie die Musik.
Inhalt, Stil und Ausstattung
Das Buch hat etwa 192 Seiten, gebunden, im typischen „Motorlegenden“-Look. Mehr als 150 Abbildungen begleiten die Texte – Fotos, historische Aufnahmen der Bandmitglieder mit ihren Autos, Fahrzeuge in Aktion oder in Regalen von Garagen, oft ungeschminkt, manchmal imposant. Diese Bilder sind nicht bloße Schmuckstücke, sie funktionieren wie Szenen aus einem Musikvideo, wie Schnappschüsse, die erzählen: Welche Persönlichkeiten saßen in welchen Autos? Wie verband sich der Klang der Motoren mit dem Klang der Gitarren?
Tesche strukturiert das Buch so, dass jedes Bandmitglied eine eigene Spur bekommt: wir lernen Keith Richards’ Bentley „Blue Lena“, sehen Brian Jones’ Rolls-Royce Silver Cloud II, Mick Jaggers Aston Martin DB6 und andere Fahrzeuge, die nicht zufällig gewählt sind, sondern Teil ihrer Geschichte, ihres Images. Dazu kommen Hintergrundgeschichten – wie bestimmte Autos entstanden oder besessen wurden, wie sie zur Bühne oder zum Rückzugsort wurden, wie sie Teil von Eskapaden, Tourneen, Exzessen waren.
Der Text ist stilistisch flüssig, nigelnagelneu, persönlich. Tesche kommentiert nicht, er reflektiert: er fragt, was ein Auto für Richards war, nicht nur als Fortbewegungsmittel, sondern als Teil seiner Identität. In seiner Sprache fühlt man Nähe, manchmal Bewunderung, manchmal gespannte Ahnung, dass sich hinter Schönheit, Lautstärke und Status oft etwas Wesenhaftes verbirgt: Eitelkeit, Freiheit, Vergänglichkeit.
Stärken und Besonderes
Das Buch entfaltet seine Kraft, weil Technik und Musik verschmelzen. Wenn Tesche etwa beschreibt, wie „Blue Lena“ nicht nur ein Bentley war, sondern Rückzugsort, Gefährte und Teil einer Geschichte voller Glamour und Drogen – dann wird mehr als Metall und Leder sichtbar. Dann wird Geschichte: wie sich Lebensstile der Rockstars in Automobildesign, in Chrom, Politur, Motorleistung widerspiegeln.
Ein Highlight ist, wie Tesche sowohl auf die großen Anekdoten setzt – ein Auto als Liebesnest, ein anderes als Bühne im Kleinen – als auch auf Details: Farben, Cockpit, Sound der Motoren, Alltag mit Öl und Wartung, Schwierigkeiten auf Tour, Reibung mit Chauffeuren, Kraftstoff, manchmal Ärger mit Reparaturen oder mit dem Fahrschein. Diese kleinen Szenen machen das Buch lebendig. Man fühlt den Geruch von Benzin, das Rütteln über Kopfsteinpflaster, das Gefühl, die Straße zu beherrschen.
Außerdem beeindruckt, wie schön die Balance gehalten wird zwischen Glanz und Schatten. Nicht jede Story ist triumphal. Man spürt auch Exzess, Verfall, dass Autos als Statussymbol auch Last sein können – finanziell, emotional, logistisch. Tesche macht keine reine Lobeshymne, sondern eine Liebe mit Augenmaß.
Schwächen und Potential
Natürlich gibt es Stellen, wo man mehr Historizität oder kritische Reflexion wünschen könnte. Zum Beispiel, wie stark der Mythos von Rebellion und Luxus von sozialen Kosten abhängen kann, oder wie Umweltthemen heute Autos unter besonderer Lupe sehen. Einige Autos-Geschichten sind sehr glamourös, und manchmal wünschte man sich für Balance auch tiefere Einblicke in die Schattenseiten: Wartung, Verschleiß, finanzielle und persönliche Komplikationen, vor allem in späteren Jahren.
Auch die Auswahl der Fahrzeuge wirkt teilweise erwartbar: typische Modelle, Ikonen – das macht Sinn, weil die Stones so sind, aber manchmal schlägt man eine Seite um und denkt: Gab es nicht noch schrillere, unbekanntere Fahrzeuge, skurrile Begleiter, Autos, die weniger dokumentiert sind? Eine etwas experimentellere Auswahl hätte dem Band noch mehr Überraschungspotenzial gegeben.
Für wen dieses Buch geschrieben ist
Dieses Buch ist ideal für Fans der Rolling Stones, für Auto-Liebhaber, die nicht nur Technik sehen, sondern Geschichten, für Musikgeschichte-Interessierte, die wissen wollen, wie Rock’n’Roll sich auch auf Räder verlagerte. Es ist weniger gedacht für jene, die ausschließlich technische Daten suchen oder die eine streng analytische Untersuchung wollen – es ist eher ein Bildband mit Geschichten, ein Porträt, ein Sammlerstück.
Wenn du bereits den „Movie Cars“-Bände Tesches mochtest, wirst du hier vieles wiederfinden: die Wertschätzung für Design, Stil, Bildkraft, emotionales Erzähltempo. Und zugleich ist das Thema anders: keine Filme, sondern Menschen und Autos – Mythos, Lust, Exzess und der Glanz der Straße.
Fazit – Ein Stück Rock-Road-Art
„Satisfaction – Die Auto-Biografie der Stones“ ist kein gewöhnliches Auto-Buch und kein reines Musik-Buch. Es ist ein Album aus Chrom, Gummi und Rebellion, eine Sammlung von Geschichten, die zeigen, wie Autos für die Stones nicht nur Begleiter waren, sondern Teil ihrer Legende. Wer das liest, spürt nicht nur bewundernd den Glanz, sondern auch, wie tief Autos in der Psyche von Rockstars liegen können – als Ausdruck von Freiheit, Macht, Vergnügen und Risiko.