Monsieur Poubelle oder: Der Mülleimer der Geschichte
(März Verlag)
Oktober 2024
Monsieur Poubelle oder: Der Mülleimer der Geschichte
Pieter Waterdrinkers Roman „Monsieur Poubelle oder: Der Mülleimer der Geschichte“ entführt den Leser auf eine faszinierende Reise durch die Höhen und Tiefen des Lebens von Wessel Stols. Der Protagonist, ein 35-jähriger ehemaliger Werbefirmeninhaber, strebt danach, seinen Jugendtraum zu verwirklichen: ein berühmter Schriftsteller zu werden. Seine Frau Friedl hingegen sehnt sich nach einem Kind. Gemeinsam begeben sie sich nach Frankreich, wo Wessel plant, über Eugène René Poubelle, den Erfinder der Mülltonne, zu schreiben. Doch das Leben hält unerwartete Wendungen für sie bereit.
Handlung und Themen
Die Geschichte beginnt mit Wessels ambitioniertem Vorhaben, einen Roman über Monsieur Poubelle zu verfassen. Doch als sein literarisches Projekt scheitert und er durch das Platzen der Dotcom-Blase sein Vermögen verliert, wendet er sich dem zwielichtigen Handel mit sowjetischer Kunst zu. Nach mehreren Skandalen gelingt es ihm, mit Hilfe alter Freunde einen Sitz im Europaparlament zu ergattern. Doch auch hier wird er schnell in ein Netz aus Korruption und Machenschaften verstrickt. Als seine Frau Friedl ihn verlässt, verliert Wessel jegliche Moral. Auf dem Höhepunkt des Maidan-Aufstands erfährt er von einer ehemaligen Liebschaft, dass er Vater eines Sohnes ist. Hals über Kopf reist er in die Ukraine, wo er in eine dekadente Gesellschaft eintaucht und schließlich in die Wirren des Krieges hineingezogen wird.
Stil und Sprache
Waterdrinkers Erzählstil ist meisterhaft und erinnert an die Werke von Nabokov. Seine Sprache ist reich an Metaphern und Bildern, die die komplexen Emotionen und inneren Konflikte der Charaktere lebendig werden lassen. Die narrative Struktur des Romans ist vielschichtig, wobei die verschiedenen Handlungsstränge geschickt miteinander verwoben sind, um ein umfassendes Bild von Wessels Leben und den gesellschaftlichen Umständen zu zeichnen.
Charakterentwicklung
Wessel Stols ist ein facettenreicher Charakter, dessen Entwicklung im Laufe des Romans tiefgründig und nachvollziehbar dargestellt wird. Seine anfängliche Naivität und sein Idealismus weichen nach und nach einer zynischen Weltsicht, geprägt von den Enttäuschungen und Rückschlägen, die er erlebt. Auch die Nebenfiguren, insbesondere Friedl, sind komplex gestaltet und tragen wesentlich zur Tiefe der Geschichte bei.
Gesellschaftskritik
Der Roman bietet eine scharfsinnige Analyse der modernen Gesellschaft, insbesondere der politischen und kulturellen Eliten. Durch Wessels Aufstieg und Fall im Europaparlament wird die allgegenwärtige Korruption und Heuchelei innerhalb der Institutionen offengelegt. Waterdrinker zeigt auf, wie persönliche Ambitionen und moralische Kompromisse oft Hand in Hand gehen und welche Auswirkungen dies auf das Individuum und die Gesellschaft haben kann.
Über den Autor
Pieter Waterdrinker, geboren 1961 in den Niederlanden, gehört zu den bedeutenden Stimmen der zeitgenössischen niederländischen Literatur. Er studierte Russisch, Französisch und Jura an der Universität Amsterdam und lebte eine Zeit lang auf den Kanarischen Inseln, bevor er sich 1996 in St. Petersburg niederließ. Dort arbeitete er als Korrespondent für verschiedene niederländische Medien. Seine Werke wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt und mehrfach ausgezeichnet. Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine lebt er in Frankreich.
Fazit
„Monsieur Poubelle oder: Der Mülleimer der Geschichte“ ist ein beeindruckender Roman, der durch seine tiefgründige Handlung, komplexe Charaktere und meisterhafte Sprache besticht. Waterdrinker gelingt es, die persönlichen Schicksale seiner Figuren mit einer scharfsinnigen Gesellschaftskritik zu verbinden und den Leser zum Nachdenken anzuregen. Ein Werk, das in Erinnerung bleibt und zum erneuten Lesen einlädt.