Meerauge ist ein Roman aus dem Rotpunktverlag und erschien am 20. März 2024.

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Meerauge
Marthe macht Ferien an der Côte d’Azur. Dort begegnet die verheiratete Schweizerin dem jungen Fischer Marceau, und die Liebe bricht wie eine Naturgewalt über die beiden herein. Für kurze Zeit gibt sich das ungleiche Paar dem Liebesrausch hin. Doch als Marthe ein Jahr später zurückkehrt, ist auch Marceau verheiratet. Einzig sein Bruder, der Marthe wie ein Doppelgänger ihres Geliebten vorkommt, lässt sie weiterträumen, bis die Liebe im dritten Sommer endgültig erlischt. Dass Marthe unverkennbar Züge der Autorin trägt, zeigt ein Brief von S. Corinna Bille aus dem Sommer 1950: »Ich habe da einen echten Freund. Das ist ein junger Fischer aus der Gegend. Ein einfaches Wesen, absolut wunderbar.« Meerauge ist aber nicht nur eine melancholische Liebesgeschichte, sondern auch das Porträt eines Landes kurz nach dem Weltkrieg, der noch durch alle Köpfe spukt, und einer Zeit, in der Kolonialismus und Rassismus kaum hinterfragt werden…
Das Buch „Meerauge“ von S. Corinna Bille, erst postum veröffentlicht und kürzlich in seiner ursprünglichen Form durch die Übersetzerin Lis Künzli zugänglich gemacht, ist ein literarisches Werk, das eine intensive und komplexe Liebesgeschichte mit einer tiefen gesellschaftlichen Reflexion verwebt. Der Roman spielt an der malerischen Côte d’Azur kurz nach dem Zweiten Weltkrieg und taucht tief in die emotionale sowie physische Landschaft seiner Protagonistin Marthe ein, die während ihrer Ferien eine leidenschaftliche Affäre mit dem jungen Fischer Marceau erlebt. Die Liebesgeschichte zwischen Marthe und Marceau, obwohl leidenschaftlich und intensiv, ist von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Marthe, eine verheiratete Frau, und Marceau, der später ebenfalls heiratet, finden sich in einem Konflikt zwischen gesellschaftlichen Erwartungen und persönlichem Begehren wieder. Der Roman beleuchtet nicht nur die Unmöglichkeit ihrer Liebe, sondern auch die gesellschaftlichen Zwänge der Zeit – ein Europa, das immer noch von den Nachwehen des Krieges gezeichnet ist und in dem Themen wie Kolonialismus und Rassismus allgegenwärtig sind.
Bille gelingt es meisterhaft, die innere Welt von Marthe darzustellen. Ihre Beschreibungen sind so lebhaft und detailreich, dass man die salzige Meeresluft fast schmecken und die Hitze der mediterranen Sonne auf der Haut spüren kann. Besonders eindrücklich sind die Passagen, in denen Marthe nachts durch das Pfeifen eines unbekannten Mannes geweckt wird – eine Metapher für die unausweichliche und oft schmerzhafte Realität des Lebens und der Liebe. Die Autorin bringt auch eigene Erfahrungen in die Erzählung ein, was dem Roman eine autobiografische Tiefe verleiht. Bille selbst verbrachte Zeit an der Côte d’Azur und erlebte ähnliche emotionale Wirren, was dem Ganzen eine authentische emotionale Resonanz verleiht. Dieses persönliche Element verstärkt die Glaubwürdigkeit und Tiefe der geschilderten Emotionen und macht „Meerauge“ zu einem sehr persönlichen Werk.
Die sprachliche Qualität des Romans ist hervorragend. Lis Künzli hat es geschafft, Billes nuancierte und poetische Sprache ins Deutsche zu übertragen, ohne dass die literarische Schönheit verloren geht. Jeder Satz und jedes Wort scheint sorgfältig gewählt, um die Atmosphäre und die Stimmung der Geschichte einzufangen. Insgesamt ist „Meerauge“ ein bewegendes und tiefgründiges Buch, das nicht nur eine Liebesgeschichte erzählt, sondern auch ein scharfsinniges Porträt einer Zeit und eines Ortes bietet, die von historischen Umwälzungen geprägt sind. Es ist ein empfehlenswertes Werk für alle, die literarische Texte schätzen, die tiefe menschliche und gesellschaftliche Fragen aufwerfen.
Meerauge
Hat mir besonders gefallen
- Die Charaktere, insbesondere die Protagonistin Marthe, sind tiefgründig und nuanciert dargestellt, wodurch die emotionalen und moralischen Konflikte der Geschichte authentisch und nachvollziehbar wirken.
- Die sprachliche Qualität des Romans ist hervorragend, mit nuancierter und poetischer Sprache, die die Atmosphäre und die Stimmung der Geschichte eindrucksvoll einfängt.
- Der Roman bietet nicht nur eine Liebesgeschichte, sondern auch ein scharfsinniges Porträt der Nachkriegszeit, in der Europa von den Nachwehen des Zweiten Weltkrieges und von Themen wie Kolonialismus und Rassismus geprägt war.
- Die lebhaften und detailreichen Beschreibungen der Côte d’Azur lassen den Leser die Landschaft fast physisch erleben und tragen zur intensiven Stimmung des Buches bei.
- Das Buch enthält Züge aus dem Leben der Autorin, die dem Roman eine zusätzliche Tiefe und Glaubwürdigkeit verleihen.

