Lichtspiel

Lichtspiel: Roman | „Ein Geniestreich von einem Roman, ein Buch, das bleiben wird.“ ARD Druckfrisch aus dem Rowohlt Buchverlag erschien am 10. Oktober 2023. 

Lichtspiel

Daniel Kehlmanns Roman über einen Filmregisseur im Dritten Reich, über Kunst und Macht, Schönheit und Barbarei ist ein Triumph. Lichtspiel zeigt, was Literatur vermag: durch Erfindung die Wahrheit hervortreten zu lassen.

 

Einer der Größten des Kinos, vielleicht der größte Regisseur seiner Epoche: Zur Machtergreifung dreht G. W. Pabst in Frankreich; vor den Gräueln des neuen Deutschlands flieht er nach Hollywood. Aber unter der blendenden Sonne Kaliforniens sieht der weltberühmte Regisseur mit einem Mal aus wie ein Zwerg. Nicht einmal Greta Garbo, die er unsterblich gemacht hat, kann ihm helfen. Und so findet Pabst sich, fast wie ohne eigenes Zutun, in seiner Heimat Österreich wieder, die nun Ostmark heißt. Die barbarische Natur des Regimes spürt die heimgekehrte Familie mit aller Deutlichkeit. Doch der Propagandaminister in Berlin will das Filmgenie haben, er kennt keinen Widerspruch, und er verspricht viel. Während Pabst noch glaubt, dass er dem Werben widerstehen, dass er sich keiner Diktatur als der der Kunst fügen wird, ist er schon den ersten Schritt in die rettungslose Verstrickung gegangen.

„Lichtspiel“ von Daniel Kehlmann entführt den Leser in die düstere Zeit des Dritten Reichs und beleuchtet die ambivalente Rolle des renommierten Filmregisseurs Georg Wilhelm Pabst. Als Leser erfahre ich durch die einfallsreiche Erzählweise, wie Pabst zwischen Kunst und Macht, Schönheit und Barbarei jongliert. Der Roman beginnt mit Pabsts gescheitertem Versuch, in Hollywood Fuß zu fassen, und führt uns durch seine Flucht vor den Gräueln des neuen Deutschlands. Kehlmann zeichnet ein Bild von einem einstigen Giganten des Kinos, der in der Fremde plötzlich wie ein Zwerg wirkt. Die Entscheidung, nach Österreich zurückzukehren, entpuppt sich als Schicksalsweg, als die barbarische Natur des Nazi-Regimes die Familie einholt.

Die Frage nach dem Warum durchzieht den Roman und spiegelt sich in Pabsts Entscheidungen wider. Der Autor stellt dabei subtile Fragen: War der Misserfolg in Hollywood den Preis wert? War das Interesse an der kranken Mutter echt oder nur vorgeschoben? Diese Fragen bleiben unbeantwortet, und Kehlmann verleiht seinem Protagonisten eine gewisse Konturlosigkeit, die Raum für unterschiedliche Interpretationen lässt. Kritisch betrachte ich jedoch die Längen des Romans. Mit 400 Seiten hätte die Geschichte meiner Meinung nach nicht an Tiefe verloren. Die Faszination für Pabsts Geschichte bleibt ambivalent, besonders da er nicht zu einem wirklichen Star im NS-Staat wird. Der Fokus auf seine Familie, insbesondere auf den Sohn Jakob, stellt jedoch eine Stärke des Romans dar. Die Entwicklung des Sohns, der zum überzeugten Nationalsozialisten wird, verleiht der Handlung eine zusätzliche Dimension.

Die Art und Weise, wie Kehlmann die Atmosphäre seiner Romane gestaltet, mag für einige Leser repetitiv wirken. Doch gerade in „Lichtspiel“ werden die moralischen Fragen zur Verbindung von Autor und Werk aufgegriffen, die auch in liberalen Mediendemokratien relevant sind. Die subtile Darstellung auf dem Buchcover und der kontrastreiche Duktus des Autors verstärken diesen Effekt. Trotz kleiner Kritikpunkte liefert „Lichtspiel“ einen wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung der NS-Geschichte im Kontext der Kulturschaffenden. Kehlmann vermeidet einfache Antworten und ermutigt den Leser, selbst nachzudenken. Der Roman zeigt, wie Kunst in autoritären Regimen unpassend, aber letztendlich bedeutsam sein kann.

Lichtspiel

8.4

Aufmachung

8.3/10

Umfang

8.9/10

Schreibstil

8.0/10

Umsetzung

8.4/10

Hat mir besonders gefallen

  • Tiefgründige Fragen nach Verantwortung und künstlerischer Legitimität im autoritären Regime.
  • Aktualitätsbezüge durch die Diskussion von moralischer Einordnung von Autor und Werk.
  • Gelungene Verwendung filmischer Mittel und Magischer Realismus für atmosphärische Szenen.
  • Strukturell überzeugende Rahmenerzählung und effektiver Erzählbogen.
  • Brillante Darstellung der Entwicklung des Sohns Jakob und seiner Überzeugungen.

War nicht ganz so toll

  • Langatmigkeit und gelegentliche Langeweile aufgrund des Umfangs.
  • Fragwürdige fragmentarische Erzählweise und unnötiges "Namedropping" von Persönlichkeiten.
Mediennerd
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