Im Land der Wölfe ist ein Buch aus der Frankfurter Verlagsanstalt und erschien am 21. August 2024.
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Im Land der Wölfe
Nana kommt in eine vom Wahlkampf erhitzte Stadt am Rand von Sachsen, die voll ist von zurückkehrenden Frauen, von Gründerinnen im Aufbruch, die um ihre ostdeutsche Heimat ringen. Als Coach will sie in Grenzlitz Katja Stötzel, die Kandidatin der Zukunftsgrünen, stärken. Doch sie wird auf Distanz gehalten. Verständnis findet sie bei einem von ganz rechts, Falk Schloßer. In Grenzlitz findet sie ihre Verzweiflung und Wut auf eine Gesellschaft wieder, die sie jahrelang von sich geschoben hat. Als sich die Situation zuspitzt und Katja Stötzel bedroht wird, weil überhaupt alles zu eskalieren scheint, muss sie sich entscheiden: Auf welcher Seite stehe ich eigentlich? Wer meint es ernst mit der Menschlichkeit?
„Im Land der Wölfe“ von Elsa Koester, erschienen bei der Frankfurter Verlagsanstalt, ist ein Roman, der in einer erschreckend realistischen und düsteren Atmosphäre den Aufstieg rechter Ideologien im Osten Deutschlands thematisiert. Elsa Koester, stellvertretende Chefredakteurin des Magazins „Der Freitag“, widmet sich in ihrem literarischen Werk der Frage, wie sich faschistische Strukturen und rechte Gesinnungen inmitten unserer Gesellschaft ausbreiten können. Sie schafft es, einen tiefen Einblick in die sozialen und politischen Spannungen der ostdeutschen Gesellschaft zu geben. Im Mittelpunkt der Geschichte steht Nana, eine Wahlkampfhelferin, die aus Berlin in die Kleinstadt Grenzlitz reist, um die Kandidatin der „Zukunftsgrünen“, Katja Stötzel, zu unterstützen. Die Stadt, geprägt von Verbitterung und Frustration, ist Schauplatz eines heftigen politischen Machtkampfes, bei dem die rechte Partei um Paul Witte immer mehr an Einfluss gewinnt. Nana, die selbst mit persönlichen Problemen und Brüchen zu kämpfen hat, wird nicht nur von der Kälte der Stadtbewohner, sondern auch von ihrer eigenen Verzweiflung über die politischen und gesellschaftlichen Zustände eingeholt.
Koester beschreibt mit viel Feingefühl die individuellen Schicksale der Figuren, die oft stellvertretend für größere gesellschaftliche Strömungen stehen. Besonders eindrücklich ist die Darstellung von Nanas Begegnung mit Falk Schloßer, einem Anhänger der rechten Bewegung. Trotz seiner extremen Ansichten findet Nana in ihm jemanden, der ihre eigene Wut und Enttäuschung teilt. Diese Beziehung verdeutlicht auf bedrückende Weise, wie leicht sich Menschen, die sich von der Gesellschaft ausgeschlossen fühlen, für extreme Ideologien öffnen können. Ein weiteres zentrales Thema im Roman ist die Frage nach Identität und Zugehörigkeit, besonders in den neuen Bundesländern. Nana selbst stammt aus einer Familie, die in ihrer Vergangenheit von Brüchen und Missverständnissen geprägt ist. In Briefen ihres Bruders Noah, der sich als nicht-binär outet, wird deutlich, wie sehr auch familiäre Strukturen von den politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen beeinflusst werden. Koester gelingt es, durch die Erzählung von Nanas Familiengeschichte eine zusätzliche Ebene des Verstehens für die Konflikte der Gegenwart zu schaffen.
Was den Roman besonders macht, ist die Art und Weise, wie Koester komplexe politische Themen in eine fesselnde und emotionale Erzählung einbettet. Sie zeigt die Auswirkungen des gesellschaftlichen Wandels auf das Individuum und wirft die Frage auf, wie die politischen Fronten unsere persönliche Wahrnehmung von Moral, Werten und Menschlichkeit verändern. Dabei bedient sich die Autorin einer klaren, schnörkellosen Sprache, die dennoch in ihrer Tiefe überzeugt. Die braunen Borkenkäfer, die in der Erzählung immer wieder auftauchen, stehen symbolisch für die sich ausbreitenden rechten Tendenzen – eine Naturkatastrophe, die sich unaufhaltsam durch die Gesellschaft frisst. Koester zeichnet in „Im Land der Wölfe“ kein einfaches Bild der politischen Landschaft im Osten Deutschlands. Sie zeigt die Menschen, die in diesen Regionen leben, nicht als bloße Opfer oder Täter, sondern als komplexe Individuen, die von den Brüchen der Vergangenheit geprägt sind. Dies gelingt ihr so gut, weil sie selbst einen tiefen Bezug zu den beschriebenen Themen hat. Elsa Koester, die in ihrem journalistischen Schaffen bereits intensiv über politische und gesellschaftliche Themen berichtet hat, bringt dieses Wissen auf beeindruckende Weise in ihren Roman ein. So entsteht ein vielschichtiges Werk, das die Mechanismen hinter dem Aufstieg rechter Ideologien beleuchtet, ohne einfache Lösungen anzubieten.
Wer „Im Land der Wölfe“ liest, wird nicht nur in die politische Realität Ostdeutschlands eintauchen, sondern auch mit den inneren Kämpfen der Figuren konfrontiert. Der Roman ist eine literarische Auseinandersetzung mit der Frage, wie wir als Gesellschaft mit Wut, Ausgrenzung und dem Wunsch nach Zugehörigkeit umgehen. Dabei stellt Koester die Frage, auf welcher Seite wir am Ende stehen wollen – und ob wir bereit sind, unsere Menschlichkeit zu verteidigen, bevor es zu spät ist. Ein packendes Buch, das in seiner Brisanz und Aktualität beeindruckt und nachhallt.
Im Land der Wölfe
Hat mir besonders gefallen
- Der Roman vermittelt eine erschreckend glaubhafte Darstellung der Ausbreitung rechter Ideologien in Ostdeutschland.
- Die Figuren sind vielschichtig und repräsentieren keine simplen Opfer oder Täter, sondern komplexe Individuen, die von Brüchen in der Gesellschaft geprägt sind.
- Elsa Koester greift brisante Themen wie den Rechtsruck in der Gesellschaft auf und verknüpft diese geschickt mit individuellen Schicksalen.
- Die Metapher der braunen Borkenkäfer als Zeichen der sich ausbreitenden rechten Gesinnung verstärkt die Aussagekraft der Erzählung.
- Neben politischen Themen wird auch die Frage nach Identität, Zugehörigkeit und familiären Konflikten behandelt, was die Tiefe der Erzählung verstärkt.