Homebody: Was es heißt, ich selbst zu sein (Loewe Verlag)
Oktober 2024
Homebody: Was es heißt, ich selbst zu sein
„Homebody“ von Theo Parish ist eine tiefgründige und emotionale Graphic Novel, die auf einfühlsame Weise die Suche nach der eigenen Identität und Selbstakzeptanz erzählt. Parish gelingt es, das Thema Geschlechtsidentität so zu vermitteln, dass es sowohl Betroffene als auch Leser*innen ohne persönliche Verbindung zu dieser Thematik anspricht. Es ist ein Werk, das die LGBTQIA+ Community repräsentiert und gleichzeitig die Gesellschaft dazu einlädt, Verständnis für die individuellen Herausforderungen und Kämpfe in der Identitätsfindung aufzubauen.
Einblicke in die Identitätssuche
Die Geschichte dreht sich um Theo, der sich im eigenen Körper und der üblichen Mädchenkleidung zunehmend unwohl fühlt. Diese Verwirrung wird mit einer einfühlsamen Klarheit dargestellt, die nachvollziehbar macht, wie es sich anfühlt, nicht in die tradierten Geschlechterrollen zu passen. Als Theo beschließt, ein maskulines Kostüm für eine Comic Con zu tragen, wird plötzlich etwas spürbar: Das Gefühl, endlich man selbst zu sein. Dieser Augenblick bildet den Startschuss für die Reise zur Selbsterkenntnis, und die Graphic Novel begleitet Theo auf diesem Weg mit einer Mischung aus Verwirrung, Freude, Angst und Hoffnung.
Das Buch zeigt auf, dass die Suche nach der eigenen Identität oft mit Selbstzweifeln und gesellschaftlichem Druck verbunden ist. Besonders beeindruckend sind die Szenen, in denen Theo versucht, Worte für das eigene Empfinden zu finden. Diese Momente machen deutlich, dass die Gesellschaft häufig nicht die passenden Begriffe oder das Verständnis bereithält, das non-binäre und Transgender-Personen bräuchten. Die Geschichte erlaubt es Leser*innen, sich in Theos Gedanken und Gefühle hineinzuversetzen und vermittelt ein tieferes Verständnis dafür, wie schwer es sein kann, den eigenen Platz in der Welt zu finden.
Authentizität durch Own-Voice-Erzählung
Dass Homebody eine „Own-Voice“-Graphic Novel ist, verleiht der Geschichte besondere Authentizität und emotionale Tiefe. Theo Parish bringt seine eigenen Erfahrungen als nicht-binäre Person in die Geschichte ein, was die Erzählung umso glaubwürdiger und greifbarer macht. Parish lebt mit drei Katzen in Norwich und lässt sich in seiner Arbeit von eigenen Erfahrungen als queere und neurodivergente Person inspirieren. Seine Liebe zu Tabletop-Rollenspielen, Kissenburgen und kreativen Ausdrucksformen spiegelt sich in den fantastischen und oft träumerischen Elementen der Graphic Novel wider.
Durch diesen persönlichen Hintergrund wirkt Theos Geschichte weder überdramatisiert noch künstlich konstruiert, sondern wie ein realistisches Abbild einer Lebensrealität, die für viele LGBTQIA+ Personen Alltag ist. Parish nutzt die Kunstform der Graphic Novel, um in bildhafter und wortloser Sprache eine Welt zu schaffen, die ihre Leser*innen nicht nur einlädt, sondern förmlich hineinsaugt.
Bedeutung für die LGBTQIA+ Community und darüber hinaus
Homebody ist mehr als eine persönliche Geschichte; es ist ein wertvolles Werk für alle, die sich mit Themen der Geschlechtsidentität auseinandersetzen oder diese besser verstehen wollen. Die Graphic Novel bietet Raum für Dialog und Aufklärung und gibt Betroffenen ein Stück ihrer eigenen Erfahrungen in Form einer künstlerischen Erzählung zurück.
Durch die explizite Thematisierung von Transgender-Identität und nicht-binären Erfahrungen eröffnet das Buch auch für Außenstehende neue Perspektiven. Es zeigt, dass Geschlechtsidentität ein persönliches, individuelles Erleben ist, das für jeden Menschen anders aussieht und sich anfühlt. Die Graphic Novel lässt sich sowohl als Identifikationsquelle für LGBTQIA+ Leser*innen als auch als Bildungsmedium für Menschen nutzen, die wenig Berührungspunkte mit diesen Themen hatten.
Stil und Gestaltung
Theo Parishs Zeichenstil ist detailreich, farbenfroh und zeigt ein hohes Maß an Sensibilität. Die Illustrationen spiegeln nicht nur Theos äußere Reise wider, sondern fangen auch die innere Gefühlswelt auf berührende Weise ein. Jede Seite ist so gestaltet, dass die Emotionen fast greifbar erscheinen, was den Leser*innen ermöglicht, tief in Theos Geschichte einzutauchen. Besonders gelungen ist die Darstellung von Theos inneren Konflikten: Durch die Auswahl von Farben, Formen und Raumgestaltung wirkt die Erzählung in Bildern beinahe filmisch und lässt das Buch zu einem visuellen Erlebnis werden.
Die Texte sind einfach gehalten und deshalb auch für ein jüngeres Publikum geeignet. Trotz der Komplexität des Themas gelingt es Parish, eine Balance zwischen verständlicher Sprache und Tiefe zu finden, was das Buch zu einem wertvollen Werk für verschiedene Altersgruppen macht.
Fazit
Homebody: Was es heißt, ich selbst zu sein ist eine eindrucksvolle Graphic Novel, die die Leser*innen in eine Welt voller Selbstzweifel, Freude und Erkenntnis entführt. Theo Parish gelingt es durch seine persönlichen Erfahrungen und seine künstlerische Begabung, eine Geschichte zu erzählen, die bewegt und inspiriert. Das Buch ermutigt dazu, sich selbst zu akzeptieren und zu lieben, unabhängig von gesellschaftlichen Normen und Erwartungen.
Diese Graphic Novel ist eine klare Empfehlung für alle, die eine tiefgründige und schön illustrierte Geschichte erleben möchten. Homebody ist ein Muss für alle, die sich für LGBTQIA+ Themen interessieren, und gleichzeitig ein wichtiges Werk, das uns alle daran erinnert, wie wertvoll es ist, den eigenen Weg zu gehen.