Heiß ersehntes Amerika (Osburg Verlag)
September 2024
Heiß ersehntes Amerika
Beim Lesen von Heiß ersehntes Amerika von Udo Zindel wurde ich tief in die Geschichte zweier Brüder gezogen, die im 19. Jahrhundert ihre Heimat Württemberg verließen, um in den USA ein neues Leben zu beginnen. Zindel gelingt es, die Erlebnisse von Carl und Heinrich, zwei fiktiven Auswanderern basierend auf historischen Vorlagen, mit großer Detailgenauigkeit und einem außergewöhnlichen Gespür für historische Zusammenhänge zu erzählen.
Eine Entdeckung aus alten Briefen
Zindels Buch basiert auf einem faszinierenden Fund: Der Autor entdeckte in einem alten Koffer, der von seinem Vater beim Aufräumen entdeckt wurde, handgeschriebene Briefe aus den Jahren 1847 bis 1865. Diese Briefe, die Heinrich und Carl aus der Neuen Welt an ihre Familie in Stuttgart schickten, bilden die Grundlage für eine tiefgründige Reise in das Amerika des 19. Jahrhunderts. Die Geschichten der beiden Brüder führen uns von den schmutzigen Straßen New Orleans’ bis in die Weiten des Westens, wo Carl als Soldat in den Indianerkriegen kämpft. Dabei verzichtet der Autor bewusst auf romantisierende Klischees und zeigt das raue und oft grausame Leben, das die Auswanderer erwartete.
Historische Präzision und persönliche Schicksale
Was mich an diesem Buch besonders fesselt, ist die Art und Weise, wie Zindel die persönlichen Schicksale der Brüder mit den historischen Ereignissen verknüpft. Heinrich, der sich in New Orleans niederlässt, erlebt den aufkommenden Hass auf Einwanderer, die Gelbfieberepidemien und die ersten Versuche, Wahlen durch Gewalt zu manipulieren. Seine Geschichte zeigt, wie die USA damals schon auf das dunkle Kapitel des Bürgerkriegs zusteuerten.
Carl hingegen erkundet den Westen als einfacher Soldat und wird Zeuge der Konflikte mit den Ureinwohnern, die er, trotz der Befehle seiner Vorgesetzten, tief bewundert. Diese zwei gegensätzlichen Perspektiven – der hektische Süden und der raue Westen – bieten einen einzigartigen Einblick in die amerikanische Geschichte, der mich dazu brachte, das Buch kaum aus der Hand zu legen.
Der Autor: Udo Zindel
Udo Zindel, geboren 1956 in Stuttgart, ist nicht nur Autor, sondern auch ein erfahrener Journalist, der lange Jahre als Reporter und Redakteur beim Südwestrundfunk tätig war. Seine Arbeit führte ihn oft in die USA, was ihm einen tiefen Zugang zu den Schauplätzen des Buches ermöglichte. Zindel ist ein Meister des Radio-Features, und sein Geschick, lebendige Geschichten zu erzählen, kommt auch in Heiß ersehntes Amerika voll zur Geltung. Dank seines fundierten Wissens in Geographie und Geschichte gelingt es ihm, die historischen Hintergründe der Auswanderung fesselnd und zugleich wissenschaftlich genau zu beleuchten.
Die Bedeutung der Geschichte heute
Was mich an Heiß ersehntes Amerika besonders berührt hat, ist die Aktualität der Thematik. Zindel verbindet die Erlebnisse der Brüder im 19. Jahrhundert mit der Frage, wohin die USA heute steuern. Während Carl und Heinrich ihren Traum von Freiheit in einem Land suchen, das zunehmend durch politische Spannungen zerrissen wird, kann man Parallelen zu den heutigen Herausforderungen erkennen. Der Rassismus und die Fremdenfeindlichkeit, die Heinrich in New Orleans erlebt, haben erschreckende Ähnlichkeiten mit heutigen Debatten.
Zindels Buch ist also nicht nur eine historische Erzählung, sondern auch ein nachdenklich stimmender Kommentar über die fortwährende Suche nach Freiheit und Glück in einem Land, das für viele immer noch ein Symbol für unbegrenzte Möglichkeiten ist.
Fazit
Heiß ersehntes Amerika ist ein herausragendes Buch, das nicht nur für Geschichtsinteressierte von Bedeutung ist. Es bietet eine mitreißende Erzählung über das Leben zweier Brüder, die ihre Träume in einer neuen Welt verwirklichen wollen, und zeigt dabei die harte Realität der Auswanderung auf. Udo Zindel schafft es, persönliche Schicksale mit großen historischen Ereignissen zu verbinden, und lässt den Leser gleichzeitig in die faszinierende und oft düstere Geschichte der USA eintauchen.
Für jeden, der sich für Geschichte, Auswanderung oder die Entwicklung Amerikas interessiert, ist dieses Buch eine klare Empfehlung.
