Eine persönliche Reise zu Glaube und Sinn
Als ich das Buch Dinner mit dem Abt: Mein Umweg zum Glauben von Nina Brunetto zur Hand nahm, war ich zunächst skeptisch. Geschichten über Glaubenskonversionen gibt es viele, doch Brunettos Ansatz versprach etwas Einzigartiges. Es ist die Reise einer jungen Frau, die in einer säkularen Welt aufwuchs, die Religion und Kirche wenig bis gar nicht schätzte. Der Untertitel des Buches „Mein Umweg zum Glauben“ beschreibt treffend den nicht-linearen, oft überraschenden Weg, den Brunetto einschlägt, um am Ende zu einem tiefen Glauben zu finden.
Der Anfang einer überraschenden Begegnung
Brunettos Wende in Richtung Glauben beginnt ganz unerwartet mit einem Abendessen – einem „Dinner mit dem Abt“, wie der Titel es beschreibt. Es ist diese Begegnung mit Abt Michael Reepen der Benediktinerabtei Münsterschwarzach, die einen entscheidenden Wendepunkt in ihrem Leben darstellt. Was zunächst als zufällige Begegnung erscheint, entwickelt sich zu einem tiefen Gespräch, das Brunetto nachhaltig beeinflusst.
Die Authentizität ihrer Schilderungen beeindruckt. Brunetto ist keine religiöse Autorität oder spirituelle Beraterin – sie ist eine Frau, die die Kirche lange Zeit abgelehnt hat und nun auf eine spirituelle Reise geschickt wird, die sie selbst am meisten überrascht. Dabei schildert sie ihren Weg ehrlich, manchmal ungläubig und reflektiert über die Herausforderungen, denen sie begegnet – sei es in Form von persönlichen Zweifeln oder den Skandalen und Problemen, mit denen die Kirche heutzutage konfrontiert ist.
Wachsen im Zweifel
Brunettos Buch ist jedoch mehr als nur eine religiöse Bekehrungsgeschichte. Sie beschreibt, wie sie als Kind mit Vorurteilen gegen die Kirche und den Glauben aufwuchs. Religion spielte in ihrem Leben keine Rolle, und sie betrachtete Kirche und Glauben mit einer Mischung aus Desinteresse und Ablehnung. Ihre Geschichte zeigt jedoch, dass der Zweifel ein wichtiger Bestandteil des Glaubensweges sein kann. Sie beschreibt, wie sie sich von der allgegenwärtigen Selbstoptimierung und Leistungsorientierung in der modernen Gesellschaft überfordert fühlte – und gerade in diesen Momenten der Überforderung begann sie, nach etwas Größerem zu suchen.
Es ist faszinierend zu sehen, wie Brunetto die Parallelen zwischen der Sinnsuche in einer säkularen Welt und der Spiritualität zieht. Ihre Erkenntnisse über die heutige „Ersatzreligion“ der Selbstoptimierung, in der das Streben nach Perfektion oft zu einer inneren Leere führt, haben mich besonders berührt. Sie zeigt, wie der Glaube nicht nur eine Antwort auf existenzielle Fragen bietet, sondern auch eine Zuflucht in einer oft überfordernden Welt sein kann.
Die Kirche als Gemeinschaft der Liebe
Eine der zentralen Botschaften des Buches ist die Idee der Kirche als Gemeinschaft der Liebe und Gnade. Für Brunetto ist Kirche nicht nur eine Institution, sondern ein lebendiger Ort der Hoffnung und des Miteinanders. Diese Sichtweise wird durch ihre Begegnungen in der Abtei Münsterschwarzach gestärkt, aber auch durch ihre Erfahrungen in einer Kölner Gemeinde. Besonders eindrucksvoll ist ihre Beschreibung der Taufe im Jahr 2023, die für sie zum Höhepunkt ihrer Glaubensreise wurde.
Hier wird deutlich, dass Brunetto die Kirche als einen offenen Ort sieht, der nicht auf Dogmen und Vorschriften reduziert werden sollte. Vielmehr geht es um die Erfahrung von Gemeinschaft, um das Teilen von Hoffnung und Liebe. Diese Perspektive macht ihr Buch besonders relevant in einer Zeit, in der viele Menschen sich von traditionellen religiösen Institutionen entfremdet haben.
Der Autor und seine Geschichte
Nina Brunetto ist keine Theologin oder kirchliche Insiderin, sondern eine Drehbuchautorin, die in Köln lebt. Gerade dieser Hintergrund macht ihre Erzählung so authentisch und nahbar. Sie schreibt nicht aus einer Position der Autorität, sondern aus persönlicher Erfahrung, was es den Leser
leicht macht, sich mit ihren Zweifeln und Fragen zu identifizieren. Die Abkehr von einem atheistischen, säkularen Leben hin zu einem spirituellen Weg ist in Brunettos Fall weder abrupt noch einfach, und genau das macht ihre Geschichte so glaubwürdig und nachvollziehbar.
Fazit
Dinner mit dem Abt ist ein ehrliches, reflektiertes und bewegendes Buch über den Glauben, die Zweifel und den Mut, sich auf einen spirituellen Weg zu begeben. Für Menschen, die sich mit den Fragen des Glaubens auseinandersetzen, ohne dabei in starren religiösen Mustern zu verharren, bietet dieses Buch wertvolle Einsichten. Nina Brunetto zeigt, dass der Glaube nicht perfekt oder endgültig sein muss, um wertvoll zu sein. Ihr Weg ist ein Umweg – und gerade deshalb so inspirierend.
Wer sich für persönliche Glaubensreisen interessiert, die nicht von oben herab predigen, sondern den Leser auf Augenhöhe mitnehmen, wird an diesem Buch Gefallen finden.