Die Welt die meine war (Osburg Verlag)
Oktober 2024
Die Welt, die meine war: Die neunziger Jahre
Ketil Bjørnstads autobiografisches Werk „Die Welt, die meine war: Die neunziger Jahre“ ist ein tiefgehender Einblick in eine Dekade voller persönlicher und kultureller Umbrüche. Die Neunziger waren ein Jahrzehnt, das von politischen, sozialen und kulturellen Umwälzungen geprägt war, und Bjørnstad, ein norwegischer Musiker, Schriftsteller und Komponist, schafft es, diese Ereignisse aus einer sehr persönlichen Perspektive zu beleuchten. Als Leser begleite ich ihn auf einer Reise durch die vielfältigen Entwicklungen dieses Jahrzehnts und erhalte gleichzeitig einen Einblick in sein eigenes Leben und seine künstlerische Transformation. Die Kombination aus intimer Selbsterforschung und einer Reflexion über die globale Gesellschaft macht dieses Buch zu einem einzigartigen literarischen Erlebnis, das sowohl informativ als auch emotional tief bewegend ist.
Inhalt und Struktur
„Die Welt, die meine war: Die neunziger Jahre“ ist der vierte Band in einer Serie, in der Bjørnstad sein Leben und seine Gedankenwelt in den Kontext der jeweiligen Dekade stellt. In diesem Band beschreibt er die Jahre, in denen er als Jazzmusiker internationale Anerkennung fand, nachdem er zuvor eine Karriere als klassischer Pianist verfolgt hatte. Diese Transformation ist für ihn nicht nur eine musikalische Neuorientierung, sondern auch eine persönliche Auseinandersetzung mit seiner eigenen Identität und den Erwartungen seiner Umwelt. Der Wechsel vom klassischen zum Jazz war für Bjørnstad ein Schritt, der von inneren Konflikten und äußeren Widerständen begleitet wurde. Er beschreibt, wie seine ehemaligen Lehrer und Mentoren diesen Schritt oft als Verrat an der klassischen Musik empfanden, was zu Spannungen und Zweifeln führte. Doch er entschied sich bewusst für diese Veränderung und fand im Jazz eine neue Ausdrucksform, die besser zu seinem sich wandelnden Selbstbild passte.
Parallel zu seiner musikalischen Neuausrichtung beschreibt Bjørnstad auch Veränderungen in seinem Privatleben. Er verlässt die norwegische Insel Sandøya und zieht zurück nach Oslo, wo er eine Beziehung mit der bekannten Journalistin „C.“ beginnt. Diese Beziehung führt ihn schließlich nach Paris, wo er und C. ein gemeinsames Leben aufbauen. Dieser Umzug nach Paris wird in dem Buch als eine Art Neuanfang dargestellt, der für Bjørnstad gleichzeitig aufregend und herausfordernd ist. Die Liebe und das gemeinsame Leben mit C. inspirieren ihn, aber sie konfrontieren ihn auch mit neuen Herausforderungen und Entscheidungen, die ihn sowohl als Künstler als auch als Mensch prägen.
Das Buch zeichnet sich dadurch aus, dass es nicht nur ein persönlicher Bericht ist, sondern auch die globale Stimmung und wichtige Ereignisse der Neunziger Jahre einfängt. Von den tragischen Ereignissen rund um Prinzessin Diana über den Lewinsky-Skandal und das anschließende Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Bill Clinton bis hin zu Norwegens unerwartetem Sieg über Brasilien im Fußball – Bjørnstad reflektiert all diese Ereignisse und gibt ihnen eine persönliche Note. Er verbindet das Individuelle mit dem Universellen und lässt den Leser die Neunziger Jahre aus einer Perspektive erleben, die sowohl persönlich als auch historisch relevant ist.
Stil und Sprache
Bjørnstads Stil ist klar und poetisch, was es dem Leser leicht macht, sich in seine Welt hineinzuversetzen. Seine Sprache ist detailreich und vermittelt nicht nur die Atmosphäre der Neunziger Jahre, sondern auch die inneren Kämpfe und Freuden, die er in dieser Zeit erlebt hat. Besonders beeindruckend ist seine Fähigkeit, komplexe Emotionen und Gedanken in einfache Worte zu fassen, ohne dabei an Tiefe zu verlieren. Die Kombination aus persönlichen Anekdoten und historischen Reflexionen macht das Buch zu einem einzigartigen Leseerlebnis, das sowohl auf einer intellektuellen als auch auf einer emotionalen Ebene berührt.
Seine Erzählweise ist zudem von einer gewissen Melancholie geprägt, die typisch für Bjørnstads Werk ist und die sich durch seine gesamte literarische und musikalische Karriere zieht. Diese Melancholie ist jedoch nicht bedrückend, sondern eher nachdenklich und reflektierend. Sie lädt den Leser dazu ein, über die Veränderungen in der Welt und im eigenen Leben nachzudenken und die Parallelen zwischen den großen Ereignissen der Geschichte und den persönlichen Erfahrungen zu erkennen.
Über den Autor
Ketil Bjørnstad wurde 1952 in Oslo geboren und gilt als einer der vielseitigsten Künstler Norwegens. Ursprünglich als klassischer Pianist ausgebildet, gab er bereits im Alter von 16 Jahren sein Debüt mit dem Philharmonischen Orchester Oslo. Später wandte er sich dem Jazz zu und erlangte internationale Anerkennung als Komponist und Musiker. Doch Bjørnstad ist nicht nur ein begnadeter Musiker; er hat auch zahlreiche Romane, Gedichtbände und Biografien verfasst. Besonders bekannt sind seine Romanbiografien über die norwegischen Künstler Edvard Munch und Edvard Grieg, in denen er die Verbindung zwischen Kunst und Leben auf eindrucksvolle Weise thematisiert. Mit der Serie „Die Welt, die meine war“ legt Bjørnstad eine persönliche Chronik seines Lebens und seiner Zeit vor und zeigt, wie sehr er als Künstler von den gesellschaftlichen Entwicklungen beeinflusst wurde. Seine Werke sind geprägt von einer tiefen Melancholie und einer zugleich optimistischen Sicht auf das Leben, die den Leser dazu anregen, über die großen und kleinen Fragen des Daseins nachzudenken.
Fazit
„Die Welt, die meine war: Die neunziger Jahre“ ist ein beeindruckendes Buch, das persönliche und globale Ereignisse zu einem dichten Erzählgeflecht verbindet. Bjørnstad gelingt es, die Essenz eines Jahrzehnts einzufangen und dem Leser einen tiefen Einblick in seine künstlerische und persönliche Entwicklung zu geben. Die Neunziger Jahre, wie sie in diesem Buch dargestellt werden, sind nicht nur eine nostalgische Rückschau, sondern auch eine Reflexion über die Herausforderungen und Möglichkeiten, die das Leben bietet. Für Liebhaber autobiografischer Literatur und für Musikinteressierte ist dieses Buch eine klare Empfehlung. Es zeigt nicht nur die Entwicklung eines Künstlers, sondern auch die Entwicklung einer ganzen Generation, die sich in einer Welt des Wandels und der Unsicherheit zurechtfinden musste.
Bjørnstads Buch ist mehr als nur eine Autobiografie; es ist ein Zeugnis einer Ära, das uns daran erinnert, wie sehr das Individuum in den großen Strömungen der Geschichte verankert ist und wie diese Strömungen uns alle auf die eine oder andere Weise prägen. Die poetische Sprache und die durchdachte Struktur machen das Buch zu einem außergewöhnlichen Leseerlebnis, das noch lange nachwirkt.