Die Räuberbraut (Tauchaer Verlag)
November 2024
Die Räuberbraut: Märchen aus Thüringen
Ich halte das Buch „Die Räuberbraut: Märchen aus Thüringen“ in den Händen und spüre bereits beim ersten Durchblättern, dass ich in eine besondere Welt eintauchen werde. Die Sammlung traditioneller thüringischer Märchen fasziniert mich von Beginn an, denn sie bietet viel mehr als nur einfache Erzählungen. Die Seiten duften förmlich nach Geschichte, Kultur und Legenden, die über Generationen weitergegeben wurden. Bereits nach wenigen Seiten habe ich das Gefühl, nicht nur ein Buch zu lesen, sondern auf eine gedankliche Reise in ein altes Thüringen aufzubrechen, in dem sich Mythos und Wirklichkeit auf magische Weise vermischen. Ich bin begeistert von der atmosphärischen Dichte, die sich wie ein feiner Nebel über die einzelnen Erzählungen legt. Diese Märchen sind kein schneller Zeitvertreib, sondern verlangen von mir, mich voll und ganz auf sie einzulassen. Dafür werde ich mit einer besonderen Art von Lesegenuss belohnt.
Der erzählerische Stil
Die Art und Weise, wie die Märchen in diesem Buch präsentiert werden, überzeugt mich auf ganzer Linie. Jede Geschichte ist in einer klaren, dennoch poetischen und bilderreichen Sprache gehalten. Sie klingt zeitlos, wirkt nicht altbacken und auch nicht zu modern, sondern genau richtig für traditionelle Volksmärchen. Ich entdecke bei jedem neuen Abschnitt neue Nuancen in der Erzählweise, eine subtile Balance zwischen ursprünglicher Überlieferung und behutsam moderner Bearbeitung. Mir gefällt, wie leicht es mir fällt, den Faden nicht zu verlieren, selbst wenn einige Märchen komplexer aufgebaut sind. Die Erzählstimme führt mich souverän durch die Handlung, ohne dass ich mich verloren fühle. Gleichzeitig hat sie etwas fast Geheimnisvolles, als würde sie mir im Flüsterton uralte Geheimnisse anvertrauen. Diese Mischung aus Vertrautheit und Mysterium hat mich regelrecht in ihren Bann gezogen.
Die Auswahl der Märchen
Die Vielfalt der enthaltenen Märchen ist beeindruckend. Von schaurigen Räuberlegenden, die der Sammlerin und dem Bearbeiter offenbar besonders am Herzen liegen, bis hin zu zarten Liebesgeschichten und listigen Fabeln finde ich ein breites Spektrum an Erzählungen. Diese Bandbreite macht das Buch für mich so spannend, denn ich weiß nie genau, was mich auf der nächsten Seite erwartet. Mal ist es ein mutiger Held, der sich unerschrocken gegen finstere Gestalten stellt, dann wieder eine kluge Heldin, die durch ihren Witz und Verstand ihre Widersacher überlistet. Ich erkenne, wie eng diese Märchen mit der Landschaft, den Dörfern und Burgen Thüringens verknüpft sind. Genau das macht sie für mich so authentisch. Die Geschichten haben einen unverkennbar regionalen Charakter, sind dabei aber dennoch universell genug, um auch über die thüringischen Grenzen hinaus zu faszinieren.
Zum Autor und zur Illustratorin
Der Bearbeiter Rainer Hohberg hat mit seiner behutsamen Vorgehensweise einen beachtlichen Beitrag zur Pflege des kulturellen Erbes geleistet. Ich spüre, dass er genau weiß, wie man traditionelle Stoffe modern und zugleich respektvoll zugänglich machen kann. Er hat die Gabe, alte Texte nicht einfach nur zu modernisieren, sondern ihre Essenz zu bewahren. Dadurch wirken die Märchen nie wie künstlich aufgefrischte Antiquitäten, sondern eher wie zeitlose Begleiter, die aus der Vergangenheit heraus in unsere Gegenwart flüstern.
Die Illustratorin Susanne Spannaus ergänzt die Worte durch ihre einfühlsamen Bilder. Diese Illustrationen verleihen den Erzählungen eine weitere Ebene von Magie. Ich kann mich regelrecht in die Bilder hineinträumen, so liebevoll sind sie gestaltet. Farben, Formen und Details verschmelzen zu einer bildhaften Kulisse, in der ich die Protagonisten beim Lesen fast vor mir sehe. Dadurch wird jede Geschichte noch lebendiger, und ich genieße es, immer wieder einzelne Illustrationen genauer zu betrachten, um neue Feinheiten zu entdecken.
Das Leseerlebnis und die Atmosphäre
Die Gestaltung des Buches ist sehr ansprechend. Schon das Buchcover vermittelt mir ein Gefühl von Abenteuer, Geheimnissen und tief verwurzelter Mythologie. Die Seiten sind angenehm gesetzt, die Schrift ist gut lesbar, und die Illustrationen nehmen den richtigen Raum ein, ohne den Lesefluss zu stören. Beim Schmökern vergesse ich die Außenwelt, tauche ab in tiefe Wälder, dunkle Schluchten und verwunschene Burgruinen. Es ist, als würde ich an einem knisternden Feuer sitzen, während draußen der Wind um die Ecken pfeift und sich drinnen die alten Geschichten in mir entfalten. So entsteht eine geborgene Atmosphäre, die sich perfekt dafür eignet, gemeinsam mit Kindern in die Märchenwelt einzutauchen oder sie auch ganz allein in einer stillen Leseecke zu genießen.
Mein persönliches Fazit
„Die Räuberbraut: Märchen aus Thüringen“ hat mich rundum überzeugt. Ich finde, dieses Buch ist weit mehr als nur eine Märchensammlung. Es ist ein Stück kulturelles Erbe, das mit großem Respekt behandelt wurde. Der erfrischende Erzählstil, die klug ausgewählten Geschichten und die stimmungsvollen Illustrationen machen dieses Werk für mich zu einem echten Schatz. Ich werde es nicht nur einmal lesen, sondern immer wieder darin schmökern, um neue Details und Feinheiten zu entdecken. Es ist auch ein perfektes Geschenk für alle, die sich für Märchen, Sagen und regionale Kultur interessieren. Durch seine Zeitlosigkeit und die universelle Sprache der Bilder kann es Generationen miteinander verbinden und sie in die magische Welt Thüringens entführen.