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Die Liebe vereinzelter Männer

Die Liebe vereinzelter Männer (März Verlag)

Oktober 2024

Camilos Vater arbeitet zu Zeiten der brasilianischen Militärdiktatur als Folterarzt. Sein Job ist es, die Gefolterten länger überleben zu lassen.
Autor: Victor Heringer, Maria Hummitzsch (Übersetzer)
Genre: Roman
78%
Umfang
93%
Schreibstil
97%
Thema
81%
Lesbarkeit
74%
Buchcover
60%
Illustrationen
„Die Liebe vereinzelter Männer“ ist ein eindrucksvolles Werk, das sowohl literarisch als auch inhaltlich überzeugt.


80%

Die Liebe vereinzelter Männer

„Die Liebe vereinzelter Männer“ von Victor Heringer ist ein beeindruckender Roman, der zugleich als literarisches Porträt der brasilianischen Gesellschaft und als berührende Liebesgeschichte zweier junger Männer fungiert. Die deutsche Übersetzung von Maria Hummitzsch bringt uns diesen einzigartigen Roman nahe, der tief in die brasilianische Kultur und Geschichte eintaucht. Diese Geschichte erzählt nicht nur von Liebe, sondern auch von Verlust, Identität und dem Trauma einer Generation. Für Leser, die auf der Suche nach tiefgründiger Literatur sind, bietet dieses Werk eine faszinierende Erzählung, die lange nachhallt.

Die Handlung und Themen des Romans

Die Handlung dreht sich um Camilo, der in den schwierigen Zeiten der brasilianischen Militärdiktatur aufwächst. Sein Vater, ein Arzt, ist verantwortlich dafür, verletzte oder gefolterte Personen medizinisch zu versorgen – ein moralisch ambivalentes Dasein, das ihn später selbst in einem anderen Licht erscheinen lässt. Eines Tages bringt Camilos Vater den Waisenjungen Cosme in die Familie, der fortan als Camilos „Bruder“ aufwächst. Zwischen den beiden Jungen entwickelt sich jedoch eine zarte, aber geheime Liebesbeziehung, die von den damaligen gesellschaftlichen Konventionen als unzulässig betrachtet wird.

Diese Liebesgeschichte ist keine einfache, sondern wird von der brutalen Realität der brasilianischen Diktatur beeinflusst. Als Cosme Opfer eines Gewaltverbrechens wird, verändert sich Camilos Leben grundlegend. Jahrzehnte später, längst erwachsen, kehrt Camilo in seine Heimatstadt zurück und wird erneut mit seiner Vergangenheit konfrontiert. Während er alte Unterlagen seines Vaters durchstöbert, stößt er auf ein düsteres Geheimnis, das ihn zwingt, seine Erinnerungen neu zu bewerten und die Rolle seines Vaters in Frage zu stellen.

Heringer schafft es, das kollektive Trauma einer Generation mit den individuellen Schicksalen seiner Charaktere zu verknüpfen. Die persönliche Erfahrung von Verlust, Verzweiflung und unausgesprochener Liebe wird dabei mit den Folgen eines autoritären Regimes in Beziehung gesetzt. Der Roman zeigt eindrücklich, wie persönliche und gesellschaftliche Traumata miteinander verwoben sind und die brasilianische Gesellschaft bis heute prägen.

Stil und Sprache: Die Kunst von Heringers Erzählung

Victor Heringer beherrscht die Kunst des literarischen Erzählens. Seine Sprache ist prägnant und dennoch poetisch; sie verleiht den Emotionen und inneren Konflikten seiner Charaktere eine besondere Intensität. Die narrative Struktur des Romans wechselt zwischen Rückblenden und gegenwärtigen Ereignissen, was den Leser dazu einlädt, die Verbindungen zwischen Vergangenheit und Gegenwart nachzuvollziehen.

Heringer beschreibt seine Figuren mit solcher Genauigkeit und Zärtlichkeit, dass sie lebendig und glaubwürdig erscheinen. Seine Sprache ist subtil und dennoch durchdrungen von einer tiefen Melancholie, die den Leser von Anfang an in den Bann zieht. Besonders gelungen ist auch die Übersetzung von Maria Hummitzsch, die es schafft, die sprachliche Tiefe und kulturelle Bedeutung des Originals ins Deutsche zu übertragen. Sie bringt die Feinheiten der brasilianischen Kultur und die Emotionalität der Protagonisten auf eine Weise zur Geltung, die den Lesefluss mühelos und das Verständnis eindringlich macht.

Ein kurzer Einblick in das Leben des Autors

Victor Heringer, geboren 1988 in Rio de Janeiro, gilt als einer der herausragenden Schriftsteller der brasilianischen Literatur seiner Generation. Bereits sein Debütroman „Glória“ wurde mit dem renommierten Prêmio Jabuti ausgezeichnet. Neben seiner Arbeit als Romanautor war er auch als Lyriker und Übersetzer tätig, was seine breite stilistische Vielfalt und Kreativität zeigt. Leider verstarb Heringer 2018 im jungen Alter von 29 Jahren, kurz vor der Veröffentlichung von „Die Liebe vereinzelter Männer“. Trotz seines frühen Todes hat Heringer ein literarisches Werk hinterlassen, das ihn zu einer wichtigen Stimme der zeitgenössischen brasilianischen Literatur macht.

Meine persönlichen Eindrücke und Gedanken

Ich war tief bewegt von der Lektüre dieses Romans. Die Beziehung zwischen Camilo und Cosme hat mich zutiefst berührt. Ihre Liebe ist einerseits ein Symbol für Freiheit, andererseits ein Spiegel für die Einschränkungen und das Leid, das die brasilianische Diktatur in das Leben vieler Menschen brachte. Besonders eindrucksvoll fand ich die Fähigkeit Heringers, die intime Liebesgeschichte der beiden mit den politischen und sozialen Entwicklungen Brasiliens zu verknüpfen. Dies verleiht dem Roman eine Zeitlosigkeit, die für mich auch über die spezifischen historischen Bezüge hinaus verständlich ist.

Auch die Erzählweise des Autors hat mich fasziniert. Die Mischung aus poetischer Sprache und der klaren Darstellung traumatischer Ereignisse verleiht dem Buch eine besondere Tiefe. Ich konnte nicht anders, als mit Camilo und Cosme mitzufühlen und gleichzeitig die Verwicklungen ihrer Leben in den sozialen Kontext jener Zeit nachzuvollziehen. Dieses Buch hat mich dazu angeregt, mich stärker mit der Geschichte Brasiliens auseinanderzusetzen und mich noch bewusster mit den Themen Traumaverarbeitung und Erinnerungskultur zu befassen.

Fazit: Eine Leseempfehlung für anspruchsvolle Leser

„Die Liebe vereinzelter Männer“ ist ein eindrucksvolles Werk, das sowohl literarisch als auch inhaltlich überzeugt. Victor Heringer hat mit diesem Roman eine universelle Geschichte geschaffen, die die Komplexität menschlicher Beziehungen und die Wunden einer gesamten Gesellschaft thematisiert. Die deutsche Übersetzung ermöglicht es einem breiten Publikum, sich mit der brasilianischen Geschichte und der intensiven Lebenswelt der Charaktere auseinanderzusetzen. Heringers Blick auf die brasilianische Gesellschaft und seine präzise, emotionale Erzählweise machen das Buch zu einem wichtigen Beitrag der modernen Literatur. Für alle, die nach einem Roman suchen, der zum Nachdenken anregt und in dem Literatur und Geschichte auf meisterhafte Weise verschmelzen, ist „Die Liebe vereinzelter Männer“ eine klare Leseempfehlung.

Mediennerd
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Medienproduzent/Blogger, Katzenliebhaber und 1. FC Köln Fan im hohen Norden. Mit meiner Berufs- und Lebenserfahrung teste und vermarkte ich seit 2009 Produkte aller Art. Sie erhalten immer ein ehrliches Feedback.
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