Der Beamte Wieler (Molino Verlag)
Oktober 2024
Der Beamte Wieler: Protokoll einer Karriere
„Der Beamte Wieler: Protokoll einer Karriere“, veröffentlicht von Gabriele Renz im Molino Verlag, greift ein hochaktuelles Thema auf: die Verführung durch Macht und Geld im politischen System. Das Buch erzählt die Geschichte von Wieler, einem Verwaltungsbeamten, der nach den Wahlen an der Seite einer aufstrebenden Politikerin der Ökopartei erscheint. Schnell wird er zu einer zentralen Figur innerhalb des politischen Apparats, obwohl niemand wirklich etwas über ihn weiß. Mit seinem rasanten Aufstieg gerät er bald in die Mühlen parteiinterner Machtkämpfe, was die Dynamik zwischen persönlichem Ehrgeiz, Machtstreben und Opportunismus in der politischen Landschaft aufzeigt.
Die Handlung
Die Geschichte beginnt damit, dass Wieler nach den Wahlen als persönlicher Berater einer neuen Politikerin auftaucht. Sofort fällt er durch seine schnelle Anpassungsfähigkeit und sein geschicktes Taktieren auf. Er scheint wie geschaffen für die politische Bühne: stets im Schatten der Macht, nie im Mittelpunkt, aber doch in den entscheidenden Momenten zur Stelle. Die Ereignisse überschlagen sich, als er aufgrund seiner Loyalität und seines geschickten Auftretens blitzartig befördert wird. Diese plötzliche Karriereentwicklung ruft jedoch Neider und Gegner auf den Plan.
Innerhalb der Partei, die mit dem Anspruch angetreten ist, alles anders und besser zu machen, formieren sich Widerstände gegen die alteingesessenen Strukturen, aber auch gegen Aufsteiger wie Wieler. Die Intrigen und Machtkämpfe, die damit einhergehen, stehen im Zentrum des Romans und ziehen den Leser immer tiefer in das komplexe Geflecht politischer Spiele hinein. Die Verführung von Macht und Geld, Mobbing und politische Scharmützel sind dabei ständig präsente Themen.
Die Charaktere
Wieler ist der Prototyp eines opportunistischen Beamten, der sich durch seine Anpassungsfähigkeit und seine Fähigkeit, die richtigen Allianzen zu schmieden, in eine Machtposition manövriert. Im Laufe des Romans wird er jedoch nicht nur als cleverer Stratege dargestellt, sondern auch als jemand, der zunehmend in moralische Konflikte gerät. Dies macht ihn zu einer vielschichtigen Figur, die der Leser sowohl bewundern als auch verachten kann. Seine Beziehung zu der aufstrebenden Politikerin ist komplex, voller ungesprochener Erwartungen und gegenseitiger Abhängigkeiten.
Die Politikerin selbst, deren Name im Buch interessanterweise selten genannt wird, bleibt in vielerlei Hinsicht geheimnisvoll. Sie verkörpert den Idealismus einer neuen politischen Bewegung, ist aber gleichzeitig nicht frei von den Verführungen, die die Macht mit sich bringt. Ihre Zusammenarbeit mit Wieler wird zu einer Metapher für das ständige Spannungsverhältnis zwischen politischen Idealen und realpolitischem Pragmatismus.
Stil und Aufbau des Romans
Gabriele Renz versteht es meisterhaft, die Spannungen und Dynamiken innerhalb eines politischen Apparats in Szene zu setzen. Die Sprache des Romans ist präzise und schnörkellos, was die politischen und moralischen Konflikte umso eindrücklicher macht. Die Dialoge sind scharf und pointiert, und die Beschreibungen der Machtspiele wirken authentisch und glaubwürdig. Besonders gelungen ist die Art und Weise, wie die Autorin die psychologische Entwicklung von Wieler darstellt. Vom unscheinbaren Beamten, der seine Rolle klaglos spielt, verwandelt er sich allmählich in einen Machtmenschen, der bereit ist, seine Prinzipien zu opfern.
Ein Roman über unsere politische Zeit
„Der Beamte Wieler“ ist nicht nur eine Erzählung über das Innenleben eines politischen Systems, sondern auch ein Spiegel unserer Zeit. Die Verführung durch Macht, die Intrigen hinter den Kulissen und der schmale Grat zwischen Idealismus und Pragmatismus sind Themen, die in der heutigen Politik eine zentrale Rolle spielen. Der Roman wirft dabei die Frage auf, ob es in einem solchen System überhaupt möglich ist, integer zu bleiben, oder ob der Preis des Aufstiegs immer mit einem moralischen Kompromiss verbunden ist.
Gabriele Renz zeigt, wie Macht und Geld Menschen verändern können und wie schnell man vom Spieler zum Spielball werden kann. Wieler wird in dieser Hinsicht zur tragischen Figur: Er will Teil der Macht sein, aber seine Ambitionen und seine Skrupellosigkeit lassen ihn letztlich selbst in den Strudel der politischen Intrigen geraten.
Zum Autor: Gabriele Renz
Gabriele Renz, die Autorin des Romans, ist für ihre prägnanten und kritischen Auseinandersetzungen mit der politischen Gegenwart bekannt. Sie hat sich in den letzten Jahren als eine der scharfsinnigsten Beobachterinnen des politischen Systems in Deutschland etabliert. Ihre Romane sind bekannt dafür, tief in die Mechanismen der Macht einzutauchen und die psychologischen Auswirkungen von politischem Ehrgeiz auf ihre Protagonisten eindrücklich darzustellen. Renz nutzt ihre Erzählungen, um uns daran zu erinnern, dass die Verführung durch Macht allgegenwärtig ist und dass niemand davor gefeit ist, Opfer dieser Dynamiken zu werden.
Fazit
„Der Beamte Wieler: Protokoll einer Karriere“ ist ein packender Roman über Macht, Intrigen und politische Verführungen. Gabriele Renz gelingt es, die feinen Mechanismen eines politischen Systems offen zu legen und den Leser auf eine Reise mitzunehmen, die gleichermaßen fesselnd wie beängstigend ist. Die Figur des Wieler bleibt dabei lange im Gedächtnis, weil sie uns vor Augen führt, wie dünn die Grenze zwischen moralischem Handeln und politischem Opportunismus wirklich ist.
Für alle, die sich für Politik, Machtspiele und die psychologischen Auswirkungen von Karriere und Aufstieg interessieren, ist dieser Roman eine klare Empfehlung. Renz hat mit diesem Buch ein Werk geschaffen, das sowohl unterhält als auch zum Nachdenken anregt.
