Carlas Scherben

Carlas Scherben (Zytglogge)

Oktober 2024

Nach dem Tod ihrer Grossmutter Lili findet die Keramikkünstlerin Carla in deren Nachlass einen Schuhkarton mit Liebesbriefen.
Autor: Frédéric Zwicker
Genre: Roman
78%
Umfang
85%
Schreibstil
90%
Thema
82%
Lesbarkeit
75%
Buchcover
60%
Illustrationen
Es ist eine tiefgründige und mitreißende Geschichte über Erinnerung, Verdrängung und die Suche nach der eigenen Identität.


78%

Carlas Scherben von Frédéric Zwicker

In „Carlas Scherben“ erzählt Frédéric Zwicker die Geschichte der Keramikkünstlerin Carla, die durch den Tod ihrer Großmutter Lili in eine emotionale Reise voller Überraschungen verwickelt wird. Im Nachlass der Großmutter entdeckt Carla einen Schuhkarton voller Liebesbriefe, die ihr Großvater Paul im Jahr 1943 an Lili geschrieben hatte. Diese Entdeckung öffnet die Tür zu einer lange verborgenen Familiengeschichte, die tiefere Abgründe birgt, als sie sich jemals hätte vorstellen können.

Carla ist eigentlich mit einem wichtigen Kunstprojekt beschäftigt, einer Installation für die Hamburger Kunsthalle. Doch die Briefe und die damit verbundenen Familiengeheimnisse lenken sie immer mehr von ihrer künstlerischen Arbeit ab. Besonders intensiv wird es, als sich herausstellt, dass ihr Großvater, obwohl längst verstorben, noch immer großen Einfluss auf das Leben der Familie hat. Carla beschreibt ihn sogar als eine Art „Puppenspieler“, der selbst aus dem Jenseits die Fäden in ihrem Leben zieht.

Drei Frauengenerationen im Fokus

Besonders eindrucksvoll ist, wie Zwicker die Geschichte von drei Generationen von Frauen erzählt, die jeweils mit den Herausforderungen ihrer Zeit umgehen mussten. Die Handlung erstreckt sich über mehrere Jahrzehnte und deckt die Konflikte und Wendepunkte der Familie auf. Vom Zweiten Weltkrieg und der Flüchtlingspolitik in der Schweiz bis zu den heutigen Migrationsbewegungen: Die gesellschaftlichen Veränderungen, die das Leben der Familie geprägt haben, werden eindrucksvoll in Szene gesetzt.

Carla muss sich zudem mit ihrer eigenen Identität und ihrem Platz in dieser komplizierten Familiengeschichte auseinandersetzen. Sie entwickelt eine besondere Beziehung zu Dawit, einem Äthiopier, der in ihrem Leben eine wichtige Rolle spielt. Doch auch hier stellt sich die Frage, wie stark der Einfluss des verstorbenen Großvaters auf ihre Entscheidungen ist.

Zwickers erzählerischer Stil: Feinfühlig und bissig

Frédéric Zwicker versteht es, feinfühlig und mit einem scharfsinnigen Humor die inneren Konflikte seiner Protagonistin darzustellen. Besonders die intensive Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und den Geheimnissen ihrer Familie wird in einer einfühlsamen und gleichzeitig provokanten Weise beschrieben. Der Schreibstil ist klar, prägnant und lässt viel Raum für eigene Gedanken und Reflexionen. Gleichzeitig schafft es Zwicker, durch geschickt eingebaute Dialoge und Beschreibungen, eine dichte Atmosphäre zu erzeugen, die einen bis zum Ende des Romans fesselt.

Die Symbolik der Scherben: Zerbrechlichkeit und Zusammenhalt

Die Scherben, die im Titel erwähnt werden, sind ein zentrales Motiv des Romans. Sie symbolisieren nicht nur die Brüche in der Familiengeschichte, sondern auch Carlas eigenen Weg, die Fragmente der Vergangenheit zu einem stimmigen Bild zusammenzufügen. Ihre Arbeit als Keramikkünstlerin wird so zu einem Sinnbild für den Versuch, aus den Bruchstücken der Vergangenheit etwas Neues, Schönes und Ganzes zu schaffen. Diese Metapher zieht sich durch den gesamten Roman und gibt ihm eine besondere emotionale Tiefe.

Über den Autor

Frédéric Zwicker, geboren 1983 in Lausanne und aufgewachsen am Zürichsee, ist nicht nur Schriftsteller, sondern auch Musiker und Journalist. Er hat Germanistik, Geschichte und Philosophie studiert und ist seit vielen Jahren in der Schweizer Kulturszene aktiv. Neben seiner Tätigkeit als Kolumnist und Veranstalter von Kulturformaten ist Zwicker auch als Musiker mit verschiedenen Bands unterwegs. Seine Vielseitigkeit spiegelt sich in seinem literarischen Werk wider, das stets von einem feinen Gespür für menschliche Schwächen und Stärken geprägt ist.

Fazit: Ein intensives Leseerlebnis

„Carlas Scherben“ ist mehr als nur ein Familienroman. Es ist eine tiefgründige und mitreißende Geschichte über Erinnerung, Verdrängung und die Suche nach der eigenen Identität. Die Kombination aus historischem Hintergrund und persönlicher Auseinandersetzung macht das Buch zu einem echten Highlight. Besonders Leser, die sich für zwischenmenschliche Beziehungen, familiäre Geheimnisse und die Herausforderungen des Erwachsenwerdens interessieren, werden diesen Roman schätzen.

Die klare Sprache und die kunstvolle Darstellung der verschiedenen Frauengenerationen machen „Carlas Scherben“ zu einem empfehlenswerten Leseerlebnis, das lange im Gedächtnis bleibt. Ein Buch, das nicht nur unterhält, sondern auch zum Nachdenken anregt – über das eigene Leben, die eigene Familie und die Spuren, die vergangene Generationen hinterlassen haben.

Mediennerd
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Medienproduzent/Blogger, Katzenliebhaber und 1. FC Köln Fan im hohen Norden. Mit meiner Berufs- und Lebenserfahrung teste und vermarkte ich seit 2009 Produkte aller Art. Sie erhalten immer ein ehrliches Feedback.
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