Bilder der Gotik und Renaissance (Michael Imhof Verlag)
Januar 2025
Bilder der Gotik und Renaissance
Beim Lesen von Bernd Feuchtners Buch „Bilder der Gotik und Renaissance: Was gibt’s da zu sehen? Eine Spurensuche in der Gemäldegalerie Berlin“ war ich beeindruckt, wie er den Leser in die Welt dieser faszinierenden Kunstperioden entführt. Dieses Buch ist mehr als eine einfache Einführung in die Kunstgeschichte; es ist eine Spurensuche, die das Verborgene sichtbar macht und neue Perspektiven auf bekannte Meisterwerke eröffnet.
Feuchtner führt uns durch die Gemäldegalerie Berlin und zeigt, dass die Kunst der Gotik und Renaissance weit mehr zu bieten hat, als auf den ersten Blick erkennbar ist. Was mich besonders angesprochen hat, ist die Art und Weise, wie er die Gemälde lebendig macht: durch die Betonung von Details, die im hektischen Museumsbesuch oft übersehen werden. Ein sinnlicher Mund, ein überraschend moderner Blick oder die harmonische Verwendung von Farben – diese Feinheiten rücken plötzlich in den Fokus und erzählen ihre ganz eigenen Geschichten.
Der Autor: Bernd Feuchtner
Bernd Feuchtner ist ein Name, den ich bisher hauptsächlich aus der Welt der Oper kannte. Der 1949 in Nürnberg geborene Publizist, Dramaturg und Operndirektor hat sich in der Kunst- und Musikwelt einen Namen gemacht. Seine akademischen Arbeiten, insbesondere über den Komponisten Dmitri Schostakowitsch, haben gezeigt, dass Feuchtner ein besonderes Gespür für die tiefere Bedeutung von Kunstwerken besitzt. Seine Karriere umfasst namhafte Stationen, darunter Positionen als Operndirektor und Chefdramaturg in Heidelberg, Salzburg und Karlsruhe. Seit 2023 ist er Intendant der Händel-Festspiele in Halle.
Dieses breite Hintergrundwissen in Kunst und Kultur spiegelt sich in seinem Schreibstil wider. Er versteht es, komplexe Zusammenhänge klar und verständlich darzustellen, ohne dabei an Tiefe zu verlieren. Diese Fähigkeit macht ihn zu einem ausgezeichneten Vermittler für Kunstgeschichte.
Kunstgeschichte lebendig erzählt
Feuchtner beleuchtet in seinem Buch die Entwicklung der europäischen Kunst zwischen 1230 und 1550, einer Zeit, die von tiefgreifenden gesellschaftlichen und kulturellen Umbrüchen geprägt war. Besonders spannend fand ich die Abschnitte über den Einfluss des burgundischen Hofes auf die Kunst. Burgund wird oft im Schatten von Florenz und der italienischen Renaissance übersehen, doch Feuchtner zeigt eindrucksvoll, wie diese Region zur Blüte der Gotik beitrug.
Die Verbindung von historischen Kontexten mit künstlerischen Entwicklungen wird in diesem Buch auf beeindruckende Weise dargestellt. Feuchtner erklärt nicht nur, wie und warum bestimmte Stile entstanden, sondern auch, wie sie sich über Europa ausbreiteten. Dabei wird deutlich, wie Künstler von anderen inspiriert wurden und wie sie ihre eigenen regionalen Traditionen einbrachten.
Eine Reise durch die Gemäldegalerie Berlin
Die Gemäldegalerie Berlin ist mit ihren beeindruckenden Sammlungen ein idealer Schauplatz für Feuchtners Spurensuche. Das Buch nimmt den Leser mit auf eine Reise durch die Ausstellungsräume und führt ihn zu ikonischen Werken, aber auch zu weniger bekannten Schätzen. Die Werke von Künstlern wie Jan van Eyck, Albrecht Dürer und Raffael werden dabei aus neuen Blickwinkeln betrachtet.
Feuchtner schafft es, den Leser zu inspirieren, genauer hinzusehen. Ein besonderes Highlight des Buches sind die Beschreibungen von Details, die oft im Verborgenen bleiben: ein fein gezeichneter Faltenwurf, der fast dreidimensional wirkt, oder die symbolische Bedeutung von Objekten, die auf den ersten Blick banal erscheinen. Durch diese Herangehensweise werden die Gemälde zu Rätseln, die es zu entschlüsseln gilt.
Detailverliebtheit als Schlüssel zum Verständnis
Eines der zentralen Anliegen des Autors ist es, den Leser für die Details in der Kunst zu sensibilisieren. Diese Detailverliebtheit ist für mich der größte Mehrwert des Buches. Feuchtner zeigt, dass es sich lohnt, innezuhalten und die Werke intensiv zu betrachten. Die oft unscheinbaren Elemente eines Bildes – ein Blick, eine Geste, ein Symbol – erzählen manchmal mehr über das Werk und die Zeit, in der es entstand, als das Gesamtbild.
Ich habe mich dabei ertappt, wie ich nach der Lektüre selbst anders auf Kunstwerke schaue. Die Hinweise und Erklärungen des Autors regten mich dazu an, bei Museumsbesuchen bewusster hinzusehen und die verborgenen Geschichten hinter den Bildern zu suchen.
Fazit: Ein Muss für Kunstliebhaber
„Bilder der Gotik und Renaissance: Was gibt’s da zu sehen?“ ist ein inspirierendes Buch, das mich tief beeindruckt hat. Feuchtner gelingt es, die Kunstgeschichte der Gotik und Renaissance auf eine Weise zu erzählen, die sowohl zugänglich als auch fesselnd ist. Sein fundiertes Wissen und seine Leidenschaft für die Kunst machen das Buch zu einem Genuss für jeden, der sich für diese Epochen interessiert.
Dieses Buch ist nicht nur ein wertvoller Begleiter für einen Besuch der Gemäldegalerie Berlin, sondern auch eine Einladung, sich intensiver mit der Kunst dieser faszinierenden Zeit auseinanderzusetzen. Es hat meinen Blick auf die Kunst verändert und meine Begeisterung für die Werke der Gotik und Renaissance neu entfacht.