Adelheid und ihre Mörder – Komplettbox
Als ich mit der Komplettbox von Adelheid und ihre Mörder angefangen habe, wusste ich ungefähr, worauf ich mich einlasse: eine Kultserie aus dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen, Evelyn Hamann in der Hauptrolle, und eine Menge augenzwinkernder Kriminalfälle. Was ich allerdings nicht erwartet habe: Wie charmant, liebevoll und unterhaltsam diese Serie auch heute noch funktioniert – trotz oder gerade wegen ihres sehr eigenen Tons.
Die Serie lief ursprünglich zwischen 1993 und 2007, umfasst insgesamt 65 Folgen in fünf Staffeln – und liegt in dieser DVD-Komplettbox vollständig vor. Wer Krimis mit klassischem Aufbau, starken Dialogen und einer Hauptfigur mag, die sich so gar nicht an Konventionen hält, wird hier sehr glücklich.
Evelyn Hamann als stille Heldin
Die Figur Adelheid Möbius ist der unaufgeregte, aber unbeirrbare Mittelpunkt der Serie. Hamann spielt sie mit einer zurückhaltenden Komik, die gerade deshalb so stark ist, weil sie nie aufdringlich oder laut wird. Adelheid arbeitet im Polizeipräsidium Hamburg als Sekretärin der Mordkommission – aber dass sie „nur“ die Schreibkraft ist, merkt man schnell nicht mehr. Sie hat die besten Instinkte, denkt um mehrere Ecken und interessiert sich für Details, die ihre Kollegen übersehen. Während Kommissare Spuren sichern und Zeugen befragen, analysiert Adelheid Fotos, Dokumente oder Nebensätze – und kommt der Lösung damit meist viel näher als die Profis.
Das Ganze hat natürlich eine humoristische Note, aber nicht in der Art einer Klamaukserie. Vielmehr lebt Adelheid und ihre Mörder von einem subtilen, manchmal auch schrägen Witz, der durch Evelyn Hamanns stoische, trockene Art wunderbar funktioniert. Sie hat diese Art, mit einem einzigen „Aha“ oder „Nö“ einen ganzen Raum zu beherrschen – ohne laut zu werden.
Die Mordfälle: Klassisch, aber mit Charakter
Jede Folge behandelt einen abgeschlossenen Fall. Mal ist es ein Mord im Künstlerkreis, mal ein Todesfall im Milieu, mal ein undurchsichtiger Familienkonflikt. Der Aufbau folgt dabei klassisch dem „Whodunit“-Prinzip – aber die Serie spielt immer wieder mit Erwartungen. Oft werden falsche Fährten gelegt, kleine Details führen zur Lösung, und Adelheids Schlussfolgerungen sind oft unorthodox, aber brillant.
Natürlich ist das alles nicht unbedingt realistisch, aber das will die Serie auch nicht sein. Sie schafft eine eigene Welt, in der Menschen zwar morden, die Gewalt aber nie im Vordergrund steht. Stattdessen geht es um Motive, psychologische Beobachtungen, zwischenmenschliche Dynamik – und die Frage, was jemanden dazu bringt, eine solche Tat zu begehen. Diese Herangehensweise verleiht der Serie eine wohltuende Tiefe.
Großartige Nebendarsteller und Running Gags
Neben Evelyn Hamann glänzt vor allem Heinz Baumann als Hauptkommissar Strobel. Er ist der klassische Dienstweg-Typ – ein erfahrener Ermittler, oft etwas bockig und nicht gerade offen für die „Einmischung“ seiner Sekretärin. Doch über die Staffeln hinweg entwickelt sich ein eingespieltes Duo aus beiden. Auch wenn Strobel das nie offen zugibt: Er weiß, was er an Adelheid hat. Ihre oft unfreiwillige Involvierung in die Fälle wird zu einem wiederkehrenden Running Gag.
Die weiteren Rollen – unter anderem gespielt von Tilo Prückner, Burghart Klaußner, Dieter Brandecker, Gisela May oder Oliver Stern – sind stimmig besetzt. Sie bringen eigene Eigenheiten mit, werden nie nur zu Staffage. Besonders hervorheben möchte ich „Muddi“, Adelheids Mutter, gespielt von Gisela May. Die Figur ist überzeichnet, aber dabei nie nervig. Es gibt Running Gags, kleine Wortgefechte, trockene Dialoge – und trotz allem immer wieder emotionale Tiefe.
Technische Umsetzung: Kein HD, aber grundsolide
Die Komplettbox kommt mit allen 65 Folgen auf insgesamt 15 DVDs, was rund 52 Stunden Laufzeit entspricht. Die Bildqualität ist – gemessen am Produktionszeitraum – wirklich ordentlich. Natürlich darf man kein hochauflösendes Bild erwarten, aber die Qualität ist durchweg solide, keine verwackelten Bilder, saubere Farben, gute Kontraste. Für eine Serie, die im öffentlich-rechtlichen Fernsehen der 90er produziert wurde, ist das Bild absolut zufriedenstellend.
Auch der Ton ist klar und verständlich, Dialoge sind gut abgemischt, und auch wenn kein 5.1-Sound geboten wird, ist die Tonspur auf Dolby Digital Stereo angenehm sauber. Die Titelmusik ist eingängig und stimmungsvoll, ohne sich aufzudrängen – genau wie die Hintergrundmusik, die eher zurückhaltend eingesetzt wird.
Verpackung und Präsentation
Die Box von Pidax ist sauber verarbeitet, mit durchdachtem Design und stabilem Verpackungsmaterial. Das Wendecover ohne FSK-Logo ist ein nettes Detail, das Sammler besonders freuen dürfte. Bonusmaterial gibt es leider keines, was ein kleiner Wermutstropfen ist – Interviews, Making-ofs oder Hintergrundinfos hätten das Paket noch abgerundet. Aber allein der Umfang der Folgen macht das für mich wieder wett.
Nostalgie trifft zeitlose Qualität
Was mich besonders überrascht hat: Wie gut Adelheid und ihre Mörder gealtert ist. Viele Serien aus dieser Zeit wirken heute hölzern oder überholt – hier aber nicht. Die Mischung aus Krimi, Humor und feiner Beobachtung funktioniert auch heute noch erstaunlich gut. Evelyn Hamann ist schlicht eine Ausnahmeerscheinung, ihr Spiel trägt die Serie mühelos, ohne sich jemals in den Vordergrund zu drängen.
Die Serie ist ideal für alle, die keine blutigen Thriller brauchen, sondern Krimis mit Herz, Köpfchen und leiser Komik zu schätzen wissen. Ich habe mich bei keiner Folge gelangweilt, im Gegenteil: Es war ein echtes Vergnügen, wieder in diese Welt einzutauchen, in der die Wahrheit meist in kleinen Nebensätzen verborgen liegt – und in der eine Sekretärin aus dem Hintergrund die Welt ein bisschen besser macht.