Verrat in höchsten Kreisen (Knaur Verlag)
August 2025
Ein historisches Netz aus Intrigen
Stell dir vor, du betrittst eine Welt, in der Loyalität und Verrat dicht nebeneinander existieren, in der jeder Schritt, jedes Wort, jede Handlung beobachtet und bewertet wird. Hellmuth Klöckner nimmt uns mit in das Berlin des Jahres 1864, eine Zeit politischer Umbrüche und geheimnisvoller Machtspiele. Inmitten dieses historischen Schauspiels begegnen wir Major Dirk von Marun, einem Mann, der zwischen Krieg und Frieden, Pflicht und Moral hin- und hergerissen ist. Nachdem er im Dänischen Krieg verwundet wurde, findet er sich unerwartet in den Reihen der Polizei wieder, einem Aufgabenfeld, das ihm zunächst fremd ist, aber bald von existenzieller Bedeutung wird.
Der Roman beginnt ruhig, beinahe wie ein Spaziergang durch die Straßen Berlins, doch hinter der Fassade lauern Gefahren, die von den höchsten Kreisen des Staates ausgehen. Klöckner gelingt es, diese historische Szenerie so lebendig zu beschreiben, dass man das Klirren der Pferdehufe auf den Pflastersteinen fast hören kann und die kühle Brise der Spree auf der Haut spürt. Die politischen Spannungen und die feinen gesellschaftlichen Nuancen der preußischen Hauptstadt werden sorgfältig dargestellt, ohne dass es zu trocken oder akademisch wirkt.
Major von Marun – zwischen Soldat und Ermittler
Dirk von Marun ist ein außergewöhnlich vielschichtiger Charakter. Er trägt die Narben des Krieges, sowohl körperlich als auch seelisch, und doch wird er nun vor die Herausforderung gestellt, seine Fähigkeiten in einem anderen, subtileren Schlachtfeld einzusetzen: der Welt der Geheimnisse, des Verrats und der diplomatischen Machtspiele. Seine inneren Konflikte – der Stolz des Soldaten gegen die Vorsicht des Ermittlers – machen ihn greifbar und menschlich. Man spürt, dass Klöckner sich Zeit genommen hat, seine Figur mit Tiefe zu versehen. Marun ist kein übertriebener Held, sondern ein Mensch, der Entscheidungen treffen muss, die nicht nur sein Leben, sondern das Schicksal anderer beeinflussen.
Im Verlauf der Geschichte ist man hautnah dabei, wie Marun die Spuren von Verrat und Intrige verfolgt. Jeder Hinweis, jede Begegnung mit den einflussreichen Männern des Staates ist von Spannung durchzogen. Besonders beeindruckend ist, wie Klöckner es schafft, historische Persönlichkeiten und fiktionale Figuren so zu verweben, dass die Handlung realistisch und gleichzeitig fesselnd bleibt.
Spannung, die den Atem raubt
Der Thriller-Teil des Romans ist meisterhaft inszeniert. Klöckner versteht es, Spannung aufzubauen, indem er die Informationen nur nach und nach preisgibt. Man weiß nie, wem man trauen kann, und die Gefahr ist ständig gegenwärtig. Besonders die Szenen, in denen Marun die Machenschaften der Staatsmänner aufdeckt, erzeugen ein Gefühl der Dringlichkeit. Es ist ein ständiges Spiel zwischen Licht und Schatten, Wahrheit und Lüge, das den Leser in Atem hält.
Die Wendungen der Handlung kommen überraschend und sind gut durchdacht. Es entsteht kein Gefühl der Vorhersehbarkeit; vielmehr wird man immer wieder in neue Richtungen gelenkt, muss seine eigenen Vermutungen hinterfragen und die Puzzleteile der Geschichte neu zusammensetzen. Dadurch bleibt die Spannung bis zur letzten Seite erhalten.
Historische Authentizität und Atmosphäre
Ein großer Pluspunkt des Buches ist die Authentizität der historischen Darstellung. Klöckner zeigt ein tiefes Verständnis für die politischen und sozialen Strukturen des 19. Jahrhunderts. Man lernt nicht nur die Machtspiele der oberen Ränge kennen, sondern auch das alltägliche Leben in Berlin zu dieser Zeit. Die Beschreibungen von Kleidung, Architektur, gesellschaftlichen Gepflogenheiten und politischen Entscheidungen lassen die Epoche lebendig werden. Diese Detailtreue gibt dem Roman nicht nur Tiefe, sondern macht die Geschichte auch glaubwürdig und immersiv.
Der Reiz des ersten Bandes
„Verrat in höchsten Kreisen“ ist der Auftakt einer Reihe, die das Leben und die Ermittlungen von Major Dirk von Marun weiter begleiten wird. Der Roman endet mit einem offenen Schluss, der die Neugier auf die Fortsetzung weckt und gleichzeitig die wichtigsten Handlungsstränge zufriedenstellend abschließt. Die Charaktere sind gut entwickelt, die Dialoge wirken authentisch und die Verbindungen zwischen den Figuren nachvollziehbar. Besonders die Darstellung des inneren Konflikts von Marun sorgt dafür, dass man als Leser emotional involviert ist und die Figuren nicht nur als Statisten der Geschichte wahrnimmt.
Fazit – Ein historischer Krimi, der fesselt
Hellmuth Klöckner liefert mit „Verrat in höchsten Kreisen“ einen spannenden historischen Kriminalroman, der historische Genauigkeit mit fesselnder Handlung und tiefgründigen Charakteren verbindet. Die Mischung aus politischen Intrigen, persönlichen Konflikten und kriminalistischer Spannung macht das Buch zu einem Genuss für alle, die historische Romane lieben, aber auch von gut konzipierten Kriminalgeschichten fasziniert sind. Es ist ein Werk, das sowohl unterhält als auch bildet, das Emotionen weckt und die Faszination vergangener Zeiten spürbar macht. Wer sich auf diese Geschichte einlässt, wird nicht enttäuscht – im Gegenteil, man sehnt sich förmlich nach der Fortsetzung, um Major von Marun auf weiteren Abenteuern zu begleiten.