Cars and Films (Motorbuch)
Juni 2025
Wenn Blech Geschichten erzählt
Manchmal reicht ein einziger Blick auf ein Auto, und vor dem inneren Auge startet sofort der Film. Ein schwarzer Pontiac Trans Am? Das muss K.I.T.T. aus „Knight Rider“ sein. Ein quietschgelber Käfer mit Kulleraugen? Natürlich Herbie. Und wenn ein DeLorean mit Flügeltüren und Fluxkompensator vorfährt, ist klar: „Zurück in die Zukunft“ lässt grüßen.
„Cars and Films – Das Rätselbuch der automobilen Kinohelden“ greift genau diesen magischen Moment auf – die Verbindung zwischen Filmkultur und Fahrzeug-Ikonen. Das Buch ist jedoch mehr als ein reines Nachschlagewerk für cinephile Autofans. Es ist ein ästhetisches, charmant verspieltes Bilderrätsel, das Intuition, Filmwissen und visuelle Neugier auf wunderbar kreative Weise miteinander verbindet.
Jesús Prudencio, bekannt für seine minimalistischen Fahrzeugillustrationen, und Knut Simon, passionierter Filmkenner, haben hier ein Werk geschaffen, das irgendwo zwischen Kunstband, Rätselspaß und nostalgischer Liebeserklärung an das Popkulturkino der letzten Jahrzehnte pendelt.
Reduktion als Kunstform – mehr als nur ein Auto pro Seite
Das Grundprinzip des Buches ist so simpel wie genial: Auf jeder Doppelseite erwartet den Leser eine stilisierte, grafisch reduzierte Illustration eines Fahrzeugs – ikonisch, aber nie plakativ. Keine Titel, keine Schauspielernamen, keine offensichtlichen Hinweise. Nur das Fahrzeug, sein Design, vielleicht ein Farbcode oder ein Nummernschild. Und genau darin liegt der Reiz: Man wird zum Detektiv, zum Kinokritiker, zum popkulturellen Spurensucher.
Dabei schaffen es die Illustrationen, trotz ihrer grafischen Reduktion eine erstaunliche emotionale Tiefe zu vermitteln. Ein schnittiger 80er-Jahre-Wagen in Neonfarben bringt sofort Synthwave-Stimmung. Ein verbeulter Lieferwagen mit rostiger Karosserie erinnert an den rauen Charme eines Indie-Dramas.
Der Clou: Wer das Auto erkennt, erkennt oft mehr als nur den Film – er erinnert sich an Szenen, Dialoge, Soundtracks, Gefühle. Es ist ein Erinnerungs-Pingpong zwischen Blech und Leinwand.
Interaktiver Rätselspaß mit Aha-Effekt
Das Buch ist nicht nur ein Bilderband, sondern auch ein Spiel. Jede Illustration ist eine Herausforderung: „Welcher Film war das nochmal?“ „War das wirklich ein Ford Falcon oder doch ein Charger?“ Man kann allein grübeln, gemeinsam raten oder sich bei falscher Fährte köstlich über sich selbst amüsieren.
Auf den Folgeseiten gibt es die Auflösung – allerdings nicht einfach als trockene Information, sondern mit liebevollen Zusatzdetails: Filmjahr, Regie, Hauptdarsteller und ein kleiner Infotext, der oft mit interessanten Trivia oder einer humorvollen Anekdote aufwartet. Diese Mischung aus Quiz und Hintergrundwissen macht den besonderen Charme des Buches aus. Es ist kein einmaliges Leseerlebnis, sondern ein Buch, zu dem man zurückkehrt, das man Freunden zeigt und über das man ins Gespräch kommt.
Für wen ist das Buch gemacht?
Die Zielgruppe ist breit gefächert – und das macht das Buch besonders reizvoll. Cineasten mit einem Faible für Fahrzeuge kommen voll auf ihre Kosten. Auto-Fans, die sich für Design, Linienführung und Popkultur interessieren, werden ebenfalls begeistert sein. Und selbst Menschen, die mit Autos sonst wenig am Hut haben, entdecken durch die klare Bildsprache und das Rätselkonzept ihren Spaß an der Sache.
Auch jüngere Leser oder Familien können gemeinsam raten, denn das Design ist nie überfordernd oder überladen. Gleichzeitig bietet das Buch für Nerds jede Menge Tiefe – etwa, wenn bei der Auflösung Hintergrundinfos zu Filmmodellen, Umbauten oder technischen Kuriositäten genannt werden. Wer etwa weiß, dass der Ecto-1 aus „Ghostbusters“ ursprünglich ein umgebauter Cadillac Miller-Meteor ist, bekommt hier noch einmal eine Portion Insiderwissen serviert.
Design und Verarbeitung – ein echter Hingucker
Optisch ist das Buch eine Wucht. Der großformatige Einband, die hochwertige Druckqualität, das mattglänzende Papier – all das trägt dazu bei, dass die Illustrationen ihre volle Wirkung entfalten. Jede Seite ist wie ein kleines Poster, das zum Verweilen einlädt. Man könnte sich gut vorstellen, einzelne Seiten zu rahmen und aufzuhängen.
Der Stil von Jesús Prudencio ist konsequent reduziert, aber nie kalt. Seine Grafiken wirken zeitlos, retro-inspiriert und dennoch modern. Das Zusammenspiel von Farben, Perspektiven und Licht macht jede Seite zu einem kleinen Kunstwerk. In einer Zeit, in der viele Bücher visuell überfrachtet oder beliebig wirken, sticht „Cars and Films“ angenehm heraus – klar, fokussiert und stilbewusst.
Kritik auf hohem Niveau
Natürlich ist das Buch kein Fachlexikon. Wer technische Details, Explosionszeichnungen oder tiefgehende Filmanalysen sucht, wird hier nicht fündig. Es will auch gar nicht alles erklären, sondern vielmehr das Spielerische, das Emotionale, das Verbindende zelebrieren. Genau darin liegt auch die einzige kleine Schwäche: Wer alle Autos schnell erkennt, ist relativ zügig durch – aber das macht die Freude am Wiederentdecken und Zeigen nicht kleiner.
Auch hätte man sich stellenweise eine etwas tiefere inhaltliche Auflösung gewünscht – etwa zur Entstehung der Filmfahrzeuge oder zu Designentscheidungen. Doch das hätte dem klaren Konzept wohl eher geschadet als genutzt.
Fazit
„Cars and Films“ ist eine Hommage an das, was Kino und Autos miteinander verbindet: Stil, Erinnerung, Identität. Es ist ein Rätselbuch, ein Bilderband, ein Nostalgietrip und ein Gesprächsstarter zugleich. Wer sich für Filme begeistert, wird es lieben. Wer Autos liebt, sowieso. Und wer beides liebt, hat hier einen echten Schatz gefunden.
Es ist eines dieser Bücher, das man nicht nur liest, sondern erlebt – Seite für Seite, Bild für Bild, Aha-Moment für Aha-Moment. Ein Buch zum Rätseln, Schmunzeln, Staunen und Teilen.