Vivat Slovakia (Team Vivat)
April 2025
Vivat Slovakia ist ein Open-World-Actionspiel, das in den 90er in der Slowakei spielt, wo Korruption verbreitet ist und die Strafverfolgung schwach ist. Entdecke eine wahre Geschichte…
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Entwickler: Team Vivat
Genre: Action-Abenteuer
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74%
Spielspaß 68%
Wiederspielbarkeit 70%
Langzeitmotivation 66%
Grafik 76%
Umsetzung |
Es ist kein Spiel für jeden – aber für die, die es verstehen wollen, ein unverzichtbares Stück interaktive Zeitgeschichte. |

Vivat Slovakia
Vivat Slovakia ist ein Spiel, das sich tief in mein Gedächtnis eingebrannt hat. Es ist keine einfache Unterhaltung für zwischendurch, sondern ein intensives Erlebnis, das mich in eine düstere Epoche der europäischen Geschichte zurückversetzt hat – in die 1990er-Jahre der Slowakei. In dieser Übergangszeit zwischen Kommunismus und Demokratie, zwischen staatlicher Kontrolle und aufkommendem Chaos, wirft das Spiel einen schonungslosen Blick auf Korruption, Machtmissbrauch und moralischen Verfall.
Ich schlüpfe in die Rolle eines jungen Polizisten in Bratislava, der sich inmitten eines Systems wiederfindet, das innerlich verrottet ist. Schon zu Beginn merke ich: Hier geht es nicht um Heldentum oder klare Gut/Böse-Muster. Stattdessen stehe ich vor komplexen Entscheidungen, die selten eindeutige Konsequenzen haben. Genau das macht Vivat Slovakia so faszinierend – und gleichzeitig so beklemmend.
Storytelling mit historischer Tiefe
Die Stärke des Spiels liegt ganz klar in seiner Erzählung. Jede Begegnung, jede Mission, jede Dialogzeile ist durchdrungen von politischer, sozialer und historischer Bedeutung. Ich treffe auf korrupte Politiker, zwielichtige Geschäftsleute, Aktivisten, einfache Bürger und verängstigte Beamte. Viele dieser Charaktere basieren auf realen Figuren oder Typen der Zeit. Sie wirken glaubwürdig, vielschichtig und erschreckend authentisch.
Das Storytelling ist nicht nur tiefgründig, sondern auch mutig. Themen wie Polizeigewalt, Vetternwirtschaft, Nationalismus und Medienmanipulation werden nicht beschönigt. Ich habe das Gefühl, dass die Entwickler hier nichts verherrlichen oder dramatisieren wollten – sie zeigen die Realität, wie sie war (und manchmal noch ist). Das verlangt als Spieler ein gewisses Maß an Reflexion, belohnt aber mit einer immersiven, emotional aufwühlenden Erfahrung.
Gameplay mit Anspruch
Im Spiel selbst bewege ich mich durch eine semi-offene Welt, die an Bratislava der 90er-Jahre angelehnt ist. Die Struktur ist größtenteils linear, aber ich habe genug Freiraum, um eigene Entscheidungen zu treffen und alternative Handlungsverläufe zu erleben. Die Spielmechanik ist eine Mischung aus Rollenspiel, Ermittlungsspiel und Adventure – mit Elementen aus dem Open-World-Genre. Besonders die polizeiliche Arbeit – wie das Durchsuchen von Tatorten, Befragungen und Entscheidungen im Einsatz – bringt Abwechslung.
Allerdings ist nicht alles perfekt. Die Steuerung wirkt gelegentlich sperrig, vor allem in Nahkampf- oder Action-Sequenzen. Auch das Inventar- und Missionssystem hätte etwas übersichtlicher gestaltet sein können. Diese kleinen technischen Schwächen stören aber kaum, da die Geschichte so fesselnd ist, dass ich sie fast automatisch übersehe.
Eine bedrückende, aber beeindruckende Atmosphäre
Die Atmosphäre in Vivat Slovakia ist eines der beeindruckendsten Elemente. Die Entwickler schaffen es, mit einfachen Mitteln ein Gefühl von Beklemmung, Misstrauen und Unsicherheit zu erzeugen. Die Städte wirken trist und grau, die Straßen leer und unfreundlich. Überall sind Hinweise auf politische Propaganda, wirtschaftlichen Verfall oder gesellschaftliche Zerrissenheit zu finden.
Der Soundtrack verstärkt diesen Eindruck zusätzlich. Dumpfe Synthesizer, düstere Streicher und Slang-lastige Dialoge vermitteln die Stimmung der Zeit. Auch die Umgebungsgeräusche – von ratternden Straßenbahnen bis zu brüllenden Demonstranten – tragen zur Authentizität bei.
Grafisch ist das Spiel sicherlich kein Blockbuster, aber es setzt seine Mittel effektiv ein. Besonders gelungen finde ich die Lichtstimmungen, die Tageszeiten und das Wetter. Regen prasselt auf zerbeulte Fahrzeuge, Neonlichter flackern über zerfallene Fassaden – diese Details machen die Welt lebendig und glaubhaft.
Team Vivat – Entwickler mit Herz und Botschaft
Hinter Vivat Slovakia steht das kleine, unabhängige Studio Team Vivat, das aus slowakischen Entwicklern, Künstlern und Historikern besteht. Ihr Ziel war es, ein Spiel zu erschaffen, das sich kritisch mit der eigenen Vergangenheit auseinandersetzt – ohne moralischen Zeigefinger, aber mit klarer Haltung. Dieser Anspruch ist in jeder Spielminute spürbar.
Ich habe großen Respekt vor diesem Projekt, denn es ist nicht nur ein Stück Unterhaltung, sondern auch ein Beitrag zur historischen Aufarbeitung. In einer Zeit, in der viele Länder versuchen, ihre Vergangenheit zu verdrängen oder umzudeuten, ist das ein mutiger und wichtiger Schritt. Man merkt dem Spiel an, dass es aus Überzeugung entwickelt wurde – nicht aus kommerziellem Kalkül.
Wiederspielbarkeit und Motivation
Auch wenn das Spiel keine klassische Open-World-Struktur hat, gibt es durchaus Gründe, es mehrmals zu spielen. Viele Entscheidungen führen zu anderen Konsequenzen, manche Handlungsstränge lassen sich beim ersten Durchlauf gar nicht vollständig erleben. Wer sich für alternative Entwicklungen interessiert oder moralische Entscheidungen reflektieren möchte, wird hier erneut zugreifen wollen.
Die Langzeitmotivation ergibt sich weniger aus Sammelreizen oder freischaltbaren Inhalten, sondern aus dem Wunsch, die Welt besser zu verstehen. Ich habe nach dem Durchspielen tatsächlich über einige Szenen nachgedacht – nicht, weil sie besonders spektakulär waren, sondern weil sie so nah an der Realität wirkten. Das ist eine Seltenheit im Gaming-Bereich.
Fazit: Kein Spiel für nebenbei – sondern ein Statement
Vivat Slovakia ist kein typisches Videospiel. Es ist unbequem, herausfordernd, manchmal verstörend – und gerade deshalb so faszinierend. Es zwingt mich, nicht nur Entscheidungen im Spiel zu treffen, sondern auch über gesellschaftliche Strukturen, Geschichte und Verantwortung nachzudenken. Die Entwickler von Team Vivat haben mit begrenzten Mitteln ein Werk geschaffen, das eine tiefe Botschaft vermittelt und gleichzeitig spielerisch überzeugt.
Trotz technischer Schwächen und einer nicht ganz ausgereiften Spielmechanik hinterlässt das Spiel einen bleibenden Eindruck. Wer sich für politische Themen, Geschichte und anspruchsvolles Storytelling interessiert, bekommt mit Vivat Slovakia ein eindringliches, mutiges Erlebnis geboten, das weit über das hinausgeht, was viele andere Titel zu leisten imstande sind.
Es ist kein Spiel für jeden – aber für die, die es verstehen wollen, ein unverzichtbares Stück interaktive Zeitgeschichte.