Der literarische Blick (Braumüller Verlag)
September 2024
Der literarische Blick: Kunstgeschichten
„Der literarische Blick: Kunstgeschichten“ ist ein außergewöhnlicher Sammelband, der 15 literarische Annäherungen an berühmte Kunstwerke vereint. Die Herausgeberin Edith-Ulla Gasser hat Autorinnen und Autoren eingeladen, ihre Gedanken und Geschichten zu Gemälden und Skulpturen zu verfassen, die in Museen wie dem Louvre in Paris, dem Kunsthistorischen Museum in Wien oder der Galerie Neue Meister in Dresden zu finden sind.
Beim Lesen dieses Buches hatte ich das Gefühl, in die Welt der Kunstwerke einzutauchen, sie nicht nur zu betrachten, sondern ihre tieferliegenden Geschichten zu erleben. Jeder Beitrag ist wie ein Schlüssel, der eine verborgene Tür zu einem bekannten Kunstwerk öffnet. Ob es sich um Eugène Delacroix’ „Die Freiheit führt das Volk“ handelt oder um Pieter Bruegels ikonisches „Jäger im Schnee“, die literarischen Interpretationen bringen neue Dimensionen zum Vorschein und regen zur Auseinandersetzung mit den Kunstwerken an.
Die Herausgeberin: Edith-Ulla Gasser
Die literarische Qualität und Vielfalt der Beiträge ist ohne Zweifel Edith-Ulla Gassers Erfahrung und Feingefühl zu verdanken. Gasser, geboren in Kötschach-Mauthen, ist als Literaturredakteurin beim österreichischen Kultursender Ö1 tätig, wo sie unter anderem Erstveröffentlichungsreihen und Kunstgeschichten betreut. Ihre Arbeit als Herausgeberin zahlreicher Anthologien und ihre Rolle bei der Organisation von Literaturwettbewerben spiegeln sich in der gekonnten Komposition dieses Buches wider.
Ihre Auswahl der literarischen Stimmen ist äußerst divers, was den Leserinnen und Lesern die Möglichkeit gibt, Kunstwerke aus unterschiedlichsten Perspektiven zu erleben. Gassers Hintergrund macht sie zur idealen Herausgeberin für ein solches Projekt, das die Schnittstelle von Kunst und Literatur auf innovative Weise erforscht.
Vielfalt der Kunstwerke und Interpretationen
Was dieses Buch so besonders macht, ist die Bandbreite der behandelten Kunstwerke. Von weltberühmten Gemälden wie Delacroix’ Revolutionsszene bis hin zu weniger bekannten Stücken – jedes Werk wird mit einer eigenen literarischen Erzählung gewürdigt. Ich habe es genossen, wie unterschiedlich die Interpretationen ausfallen: Manche Geschichten scheinen den Kern des Werkes zu treffen, während andere mich dazu brachten, das Bild oder die Skulptur mit völlig neuen Augen zu betrachten.
Besonders beeindruckend fand ich die Erzählung zu Pieter Bruegels „Jäger im Schnee“. Die winterliche Landschaft wird nicht nur als idyllisches Bild beschrieben, sondern als Schauplatz einer zutiefst menschlichen Geschichte. Es ist diese Kombination aus bildlicher und erzählerischer Tiefe, die mich beim Lesen fesselte.
Einblicke in die Welt der Kunst
Das Buch bietet nicht nur literarischen Genuss, sondern ist auch eine Einladung, Kunst auf eine andere Weise wahrzunehmen. Die Geschichten erweitern den Horizont und lassen Raum für eigene Interpretationen. Es ist spannend zu sehen, wie Kunstwerke, die oft als starr oder unveränderlich wahrgenommen werden, durch literarische Erzählungen lebendig und dynamisch werden.
Eines der Highlights war für mich die Auseinandersetzung mit weniger bekannten Werken. Diese literarischen Perlen regten mich dazu an, mehr über die Kunstwerke und ihre Hintergründe zu recherchieren. Die Texte motivieren nicht nur, die Kunstwerke anzuschauen, sondern sich auch intensiver mit ihnen zu beschäftigen. Dadurch wird das Buch zu einer Bereicherung für alle, die Kunst und Literatur schätzen.
Gestaltung und Aufbau
Die Struktur des Buches ist klar und übersichtlich. Jeder Beitrag beginnt mit einer kurzen Einleitung über das behandelte Kunstwerk, gefolgt von der literarischen Interpretation. Die Erzählungen selbst sind stilistisch vielseitig: Von poetischen Beschreibungen bis hin zu kurzen, pointierten Geschichten ist alles dabei. Dadurch bleibt das Buch abwechslungsreich und spannend.
Das Buchcover, das den Titel „Der literarische Blick“ umrahmt, wirkt elegant und dezent. Es lässt Raum für die Vorstellungskraft und lenkt die Aufmerksamkeit auf den Inhalt. Allerdings hätte ein Cover mit einem Bezug zu einem der behandelten Kunstwerke vielleicht noch mehr Aufmerksamkeit erzeugt.
Fazit
„Der literarische Blick: Kunstgeschichten“ ist ein faszinierendes Werk, das Kunst und Literatur auf einzigartige Weise verbindet. Die literarischen Interpretationen bieten neue Perspektiven und laden dazu ein, Kunstwerke intensiver zu betrachten. Edith-Ulla Gassers Erfahrung und Sorgfalt als Herausgeberin machen dieses Buch zu einem Muss für alle, die sich für die Schnittstelle von Kunst und Literatur interessieren.
Für mich war dieses Buch eine inspirierende Lektüre, die meine Wahrnehmung von Kunst nachhaltig geprägt hat. Es zeigt, dass Kunst nicht nur gesehen, sondern auch erzählt werden kann, und dass Literatur eine wunderbare Brücke zwischen dem Betrachter und dem Kunstwerk schlagen kann. Ich kann dieses Buch nur wärmstens empfehlen.