Im Privatwald (Zytglogge)
Oktober 2024
Im Privatwald von Robert Arba
Als ich den Roman Im Privatwald von Robert Arba gelesen habe, hat mich vor allem die feinfühlige Erzählweise und die emotional aufgeladene Atmosphäre beeindruckt. Die Geschichte dreht sich um die beiden Protagonisten Mark und Ronald, die sich während der Sommerferien im Schweizer Jura als Teenager kennenlernen. Über Jahre hinweg entwickeln sie eine tiefe Freundschaft, die durch einen schicksalhaften Motorradunfall auf eine harte Probe gestellt wird. Fünfzehn Jahre nach dem Unfall treffen sich die beiden Männer in einem Waldstück wieder, das Mark inzwischen gehört – ein Ort, der die Erinnerungen an vergangene Abenteuer lebendig hält.
Ein Wiedersehen mit gemischten Gefühlen
Die Begegnung der beiden Mittdreißiger im „Privatwald“ verläuft anfangs distanziert und kühl. Doch schnell merkt man, wie die alte Freundschaft und der jugendliche Übermut wieder aufleben. Arba schildert die Entwicklung der beiden Charaktere mit einer beeindruckenden Präzision und schafft es, die Gegensätze ihrer Lebenswege auf einfühlsame Weise darzustellen. Während Mark inzwischen ein erfolgreiches Leben führt, kämpft Ronald noch immer mit den Folgen des Unfalls und den damit verbundenen Lebensentscheidungen. Diese Unterschiede führen zu einer spannungsgeladenen Dynamik, die die gesamte Geschichte prägt.
Authentische Charaktere und tiefgehende Fragen
Robert Arba, ein gebürtiger Seeländer mit sardischen Wurzeln, versteht es, seine Figuren authentisch und greifbar zu gestalten. Der Autor, der auch als Texter und Übersetzer tätig ist, nutzt eine subtile und zurückhaltende Sprache, die trotzdem stark in ihrer Wirkung ist. Die Charaktere, insbesondere Mark und Ronald, sind vielschichtig und laden zum Mitfühlen ein. Besonders beeindruckend ist die Art, wie Arba zentrale Fragen des Lebens aufwirft: Wer wollen wir wirklich sein? Welche Träume müssen wir aufgeben? Und wie gehen wir mit den Narben um, die das Leben hinterlässt?
Die Schönheit des Alltäglichen
Die Stärke des Romans liegt in seiner stillen und doch kraftvollen Darstellung des Alltäglichen. Arba gelingt es, durch detaillierte und lebendige Beschreibungen die kleinen, unscheinbaren Momente des Lebens in den Vordergrund zu rücken, die oft übersehen werden, aber eine enorme Bedeutung haben. Diese Beschreibungen wirken nicht nur realistisch, sondern laden dazu ein, sich selbst in den Charakteren und ihren Herausforderungen wiederzufinden. Der Roman wirft einen klaren Blick auf das Erwachsenwerden und die Konflikte, die damit einhergehen – ohne dabei aufgesetzt oder belehrend zu wirken.
Kein klassisches Happy End, aber ein passender Abschluss
Im Privatwald bietet keine einfache Auflösung der Konflikte, sondern bleibt seiner realistischen Erzählweise treu. Das Ende ist bittersüß und zeigt, dass das Leben nicht immer klare Antworten oder klassische Happy Ends bereithält. Genau diese Offenheit macht das Buch so authentisch und lesenswert. Es bleibt eine Geschichte, die nachhallt und zum Nachdenken anregt, lange nachdem man die letzte Seite umgeblättert hat.
Fazit: Ein leises, aber starkes Werk
Robert Arbas Im Privatwald ist ein Roman, der sich durch seine stille Erzählweise und seine tiefgehenden Charakterstudien auszeichnet. Die Themen Freundschaft, Verlust und Identität werden mit einer beeindruckenden Empathie behandelt, die es dem Leser leicht macht, sich in die Figuren hineinzuversetzen. Es ist ein Buch, das nicht durch laute Action überzeugt, sondern durch leise, nachdenkliche Töne, die einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Wer auf der Suche nach einem literarisch anspruchsvollen Werk ist, das zum Nachdenken anregt und die Komplexität des Lebens einfängt, wird mit diesem Roman fündig.
Robert Arba, der als Texter und Übersetzer tätig ist und im Emmental lebt, liefert mit seinem Debüt eine überzeugende und berührende Geschichte ab. Die Sardischen Wurzeln des Autors sowie seine Erfahrung in der technischen Übersetzungsarbeit scheinen ihm eine besondere Perspektive auf die Feinheiten menschlicher Beziehungen zu geben, die sich in diesem Buch eindrucksvoll widerspiegeln. Im Privatwald ist eine klare Leseempfehlung für alle, die sich von einer stillen, aber dennoch kraftvollen Erzählweise berühren lassen möchten.