Blinde Wut ist ein Buch aus dem Edition Königstuhl Verlag und erschien am 20. August 2024.
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Blinde Wut
In einer geregelten Welt kommt es zum Einbruch des Elementaren, zur vernunftwidrigen Tat eines beruflich erfolgreichen jungen Mannes. Sein Unbehagen über ein gesichtsloses Leben führt zu einer urtümlichen Reaktion. Ein Unbeteiligter zahlt die Rechnung lange gewachsener Spannung. Wohlmeinend, beeindruckt von Geld und einer Vorliebe für das Dekorative, erweist er sich als unfähig, einer Anfechtung zu begegnen. Als Gegenwehr geboten wäre, bleibt er untätig. Dennoch freundet er sich mit seinem Schädiger an. Die beiden sind einen Winter lang unzertrennlich. Es zeigt sich, dass Tragik in einem hochtechnisierten Zeitalter weiterbesteht, welches Leben als formbar betrachtet und glaubt, für alles eine Lösung zu besitzen. “Blinde Wut” ist ein Roman mit Ecken und Kanten, der aus der gewohnten Wahrnehmung herausreisst. Er spielt in einer urbanen Atmosphäre zu Beginn des 21. Jahrhunderts.
Schon beim ersten Aufschlagen von Blinde Wut, einem Roman von Georg Weber, wurde mir klar, dass dies keine typische Geschichte über Wut und Chaos ist. Vielmehr taucht man in eine Geschichte ein, die von der inneren Zerrissenheit und den existenziellen Fragen eines Mannes geprägt ist, der in einer hochtechnisierten Welt den Sinn seines Lebens verliert. Der Protagonist, ein beruflich erfolgreicher Mann, kämpft mit der Monotonie seines Alltags und wird durch eine irrationale Tat aus seiner Bahn geworfen. Dieses Ereignis setzt eine Kette von Entwicklungen in Gang, die den Leser nicht loslassen. Was mich an Blinde Wut besonders fasziniert hat, ist der subtile Übergang vom geregelten Leben des Protagonisten zur plötzlichen Eskalation, die sich als eine Art primitive Reaktion auf das sterile und gesichtslose Leben manifestiert. Das Buch beschreibt eindrucksvoll, wie sich innere Spannungen über lange Zeit aufbauen, um dann in einem kurzen Moment entladen zu werden – eine Metapher für das, was vielen Menschen in einer durchgetakteten Welt widerfährt. Der Schreibstil Webers, der sich durch klare, aber eindringliche Sprache auszeichnet, lässt diese Transformation erschreckend real erscheinen. Die urbane Atmosphäre des frühen 21. Jahrhunderts, in der die Geschichte spielt, verleiht dem Werk zusätzlich Authentizität.
Besonders bemerkenswert ist, wie Georg Weber es schafft, das menschliche Dilemma in einer technisierten Welt zu beleuchten. Der Roman zeigt auf, wie auch im digitalen Zeitalter das Urtümliche und Archaische im Menschen fortbesteht. Weder technischer Fortschritt noch materielle Errungenschaften scheinen in der Lage zu sein, die inneren Abgründe des Individuums zu füllen. Genau das wird in der Beziehung zwischen dem Protagonisten und seinem Opfer – einem Unbeteiligten, der durch die Wut des Hauptcharakters getroffen wird – deutlich. Statt einer klaren Täter-Opfer-Dynamik entwickeln die beiden eine seltsame Freundschaft, die einen Winter lang Bestand hat. Diese ungleiche Beziehung wirft viele Fragen auf und lädt den Leser ein, tiefer über die Komplexität menschlicher Interaktionen und die Auswirkungen von Schuld und Vergebung nachzudenken. Der Autor Georg Weber ist kein Unbekannter. Nach seinem Studium der Volkswirtschaft in Bern und einem Politologiestudium an einer Ivy League Universität in den USA arbeitete er viele Jahre als Journalist, bevor er sich ab 2010 dem Schreiben widmete. Seine früheren Werke, wie die Biografie Christa de Carouges – Schwarz auf Weiss und die Rückschau auf die 1968er Jahre in Rebellion unter Laubenbögen, zeugen von seiner Fähigkeit, komplexe soziale und politische Themen aufzugreifen. Auch in Blinde Wut merkt man Webers journalistischen Hintergrund, denn der Roman ist präzise recherchiert und bietet tiefgründige Einblicke in gesellschaftliche Phänomene unserer Zeit.
Die urbane Kulisse, in der die Handlung spielt, unterstreicht die Sinnlosigkeit und Kälte, die den Alltag des Protagonisten bestimmen. Georg Weber schildert diese Welt in nüchternen, manchmal fast kalten Worten, die jedoch gerade deshalb eine umso stärkere Wirkung entfalten. Es gibt keine langen Monologe oder erklärende Passagen, was dem Leser Raum lässt, eigene Schlüsse zu ziehen. Der Roman entzieht sich einer einfachen Kategorisierung und lässt sich sowohl als psychologischer Thriller als auch als Gesellschaftsroman lesen. Besonders die Frage nach dem „Warum“ – warum der Protagonist handelt, wie er handelt – bleibt auch nach der Lektüre im Raum stehen. Dies sorgt dafür, dass Blinde Wut lange nachwirkt. Zusammenfassend ist Blinde Wut ein intensives Leseerlebnis, das mich durch seine eindringliche Darstellung der inneren Kämpfe des Protagonisten und die unerwartete Entwicklung der Handlung gefesselt hat. Georg Weber versteht es, die tiefen Abgründe der menschlichen Seele auszuloten und dabei den Leser auf eine packende und zugleich verstörende Reise mitzunehmen. Wer sich auf diese Geschichte einlässt, wird belohnt – auch wenn die Fragen, die der Roman aufwirft, möglicherweise unbeantwortet bleiben. Ein großartiger Roman, der zum Nachdenken anregt und in Erinnerung bleibt.
Blinde Wut
Hat mir besonders gefallen
- Der Roman überzeugt durch eine intensive und unerwartete Entwicklung der Geschichte, die den Leser bis zum Schluss in Spannung hält.
- Die Beziehung zwischen dem Protagonisten und seinem Opfer sowie die psychologische Tiefe des Hauptcharakters bieten viel Raum für Reflexion.
- Blinde Wut thematisiert die Entfremdung und Sinnkrisen in einer hochtechnisierten Welt, was es besonders relevant für heutige Leser macht.
- Webers klare und präzise Sprache zieht den Leser in die Geschichte, ohne unnötige Ausschmückungen, was die emotionale Wirkung verstärkt.
- Der Roman bietet einen kritischen Blick auf das Leben im digitalen Zeitalter und hinterfragt die Vorstellung, dass technische Fortschritte menschliche Probleme lösen können.